Eine Ikone aus einer russisch-orthodoxen Kirche oder Kapelle befindet sich heute in einer Privatsammlung in Vicenza. Die dortige Gemäldegalerie des Palazzo Leoni Montanari wurde 1999 in Museumsform der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Sie beherbergt zwei Dauerausstellungen: venezianische Malerei des achtzehnten Jahrhunderts und altrussische Ikonen, sowie zahlreiche Wechselausstellungen. In den angrenzenden Büros ist auch eine große Bibliothek russischer Kunst und Kultur vorhanden. Sogar eine Restaurierungswerkstatt wurde eingerichtet, die zu den besten ihrer Art außerhalb Russlands zählt.
Die bekannteste Ikone aus dem Palazzo Leoni Montanari ist eine Geburtsikone aus dem 15. Jahrhundert. Das Weltgericht aus dem 19. Jahrhundert gilt als weniger bedeutend und ist dementsprechend kaum bekannt, wissenschaftlich auch wenig wahrgenommen. Die genaue Herkunft des Kunstwerkes ist nicht bekannt, auch nicht der Künstler, die Werkstatt oder der Entstehungshintergrund. Somit schöpft sich unser gesamtes Wissen über dieses Kunstwerk aus der Arbeit selbst. Es handelt sich thematisch um ein Weltgericht der Größe 89 x 71 Zentimeter, bei dem das Himmlische Jerusalem oben links als Arkadenreihe mit Heiligen präsentiert wird. Dabei haben sich jeweils drei männliche Heilige in einer Ikone versammelt, wo sie an einem Tisch mit Brot und Wein das ewige Abendmahl feiern. Die Arkaden bilden ein horizontales Band, manche sind rot, andere blau (Typus Arkadenjerusalem). Hier ist die Ausarbeitung besonders filigran und kleinteilig, das zeigen nicht nur die einzelnen Abendmahlsgeräte, sondern auch die angedeuteten Zeltdächer über jeder Arkade. Mit dem Arkadenband korrespondiert der gebogene dunkelblaue Streifen über ihnen, der das Firmament mit Himmelskörpern, etwa dem Mond, darstellt.
Carlo Pirovano (Hrsg.): Icone russe. Gallerie Palazzo Leoni Montanari, Milano 1999.
Claus Bernet: Ikonen des Weltgerichts, Norderstedt 2015 (Meisterwerke des Himmlischen Jerusalem, 37).