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Albert Birkle (1900-1986): St. Josef in Herrenberg (1933)

Albert Birkle (1900-1986) gestaltete 1933 in der römisch-katholischen Kirche St. Josef in Herrenberg das großformatige Fenster „Christus in der Glorie des Himmlischen Jerusalem“. Es galt lange als das größte Glasfenster in Kirchen Süddeutschlands. Hier war es das erste Mal, dass der Künstler das Jerusalem-Motiv auf Glas gestaltete, weitere Werke nach 1945 folgten dann auch in Freiburg-Waldsee oder in Salzburg.
In Herrenberg überwiegt noch die figürliche Darstellungsweise mit einer zentralen Christusgestalt. Steht man ihr frontal gegenüber, wie auf dem ersten Foto, sieht man von dem Himmlischen Jerusalem: nichts.

Man kann die detaillierte Stadtarchitektur an den Seiten nur dann erkennen, wenn man direkt vor das Fenster tritt und schräg in die Seitenfenster blickt. Dann erscheinen auf einmal zahlreiche profane wie vor allem sakrale Bauten, die linear zu dem gewaltigen Christus in der Mitte streben. Dessen horizontal ausgerichtete Arme brechen sich mit den vertikalen Trägern, so dass eine suggestive Tiefenwirkung entstehen kann. Farblich überwiegen blaue und rote Töne, die der entsprechenden Farblehre nach gerne für apokalyptische Themen verwendet wurden und werden.
Im Leben Birkles wurden Widersprüche im Nationalsozialismus besonders deutlich: Zwar musste 1937 eines seiner Bilder auf Befehl Hitlers vor einer Ausstellungseröffnung im Haus der Kunst in München entfernt werden, ebenso wurden einige seiner Arbeiten aus der Berliner Nationalgalerie entfernt, jedoch keineswegs weil sie als „entartet“ galten, sondern weil die Zeit der Leihgabe abgelaufen war. Birkle durfte 1936 das Deutsche Reich in Italien auf der Biennale di Venezia vertreten, ebenso war er auf der Ausstellung „Deutsche Künstler und die SS“ (1944) vertreten. Ein gegen ihn erlassenes Veröffentlichungsverbot konnte er erfolgreich aufheben lassen, er erhielt sogar staatliche Aufträge für die Ausgestaltung des Berliner Schillertheaters und des Reichsluftfahrtministeriums. Zu Beginn des Polenfeldzugs meldete er sich, wie schon zum Ersten Weltkrieg, wieder freiwillig und wurde dem Reichsarbeitsdienst zugeordnet. Auch war er bis 1945 als Kriegsmaler und Kriegsberichterstatter tätig. Nach 1945 wollte er selbstverständlich von alldem nichts mehr wissen, sondern inszenierte sich erfolgreich als Künstler im Widerstand, was selbst Wissenschaftler in den 1950er und 1960er Jahren unkritisch übernahmen bzw. übernehmen mussten, wenn sie mit Birkle zusammenarbeiten wollten.

Das Werk in Herrenberg, welches zweifelsohne zu den besten Glasmalereien Birkles gehört, hat eine interessante Nachgeschichte: Nach schweren Fliegerangriffen am Ostermontag 1944 wurden große Teile der Kirche und auch des Fensters zerstört. Pfarrer Werner Zettier ist es zu verdanken, dass aus vorhandenen Fragmenten nach Originalplänen wie auch Fotografien eine fast beispiellose Rekonstruktion einsetzte (nur noch vergleichbar mit der reformierte Kirche von Enschede-Noord). Mit Hilfe des katholischen Männer- und Frauenwerks, der Pfadfinder sowie zahlreicher Familien und Einzelpersonen der Gemeinde konnte 1957 die Rekonstruktion unter Beteiligung von Birkle und der Firma Wilhelm Derix aus Rottweil/Neckar erfolgreich abgeschlossen werden.

Rudolf Pfefferkorn: Albert Birkle. Leben und Werk, Hamburg 1983.
Horst F. Sehorsch: Christus in der Glorie des himmlischen Jerusalem, Herrenberg 2003.
Horst F. Sehorsch: St. Josef in Herrenberg, Herrenberg 2006.

 

tags: Albert Birkle, Monumentalfenster, Christus, Nationalsozialismus, Württemberg
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