Um 1250 schuf Guido da Siena eine Tafelmalerei auf Temperabasis für die Kirche Misericordia in Grosseto (Toskana). Diese ist heute Teil des Kirchenmuseums der Diözese Grosseto, des Museo archeologico e d’arte della Maremma. Das Thema der Malerei ist ein Weltgericht. Die Gesamtgröße beträgt 141 x 99 Zentimeter, wovon das Himmlische Jerusalem lediglich einen kleinen Ausschnitt mit eigener Rahmung von etwa 18 x 26 Zentimeter ausmacht. Hier findet sich links unten eine der frühesten erhaltenen Torszenen Italiens, die schon alle Elemente einer solchen Darstellungsform aufweist. Auf einer Treppe, die das Motiv der Himmelsleiter anklingen lässt, aber auch aus kompositorischen Gründen angebracht ist, nähert sich eine kleine Gruppe dem Heiligen Petrus. Unter den Menschen sind meist Mönche, aber auch einfach gekleidete Frauen, Laien, dagegen keine Könige, Bischöfe, Päpste. Das ist eine absolut seltene Ausnahme. Petrus begrüßt den zuerst Ankommenden mit Handschlag und ist im Begriff, mit seinem Schlüssel das noch verschlossene Tor zu öffnen. Das Ganze spielt sich in einem gotischen Innenraum ab, der mit der steilen Treppe und vor allem mit dem Gewölbe an einen Keller erinnert. Schlichtheit der Wände ist hier nicht Unfähigkeit, sondern bewusste Schlichtheit und ein Lob der Bescheidenheit. Zumal: wir befinden uns schließlich noch nicht im, sondern vor dem Neuen Jerusalem.
Guido da Siena, aktiv zwischen 1260 und 1290, über den ansonsten nur wenig bekannt ist, gilt als einer der Hauptmeister der sienesischen Malerei der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts (Duecento). Er unterhielt eine größere Werkstatt in Siena (daher sein Name), in der diese Malerei entstanden sein dürfte.
James A. Stubblebine: Guido da Siena, Princeton 1964.
Aldo Mazzolai: Guida della Maremma. Percorsi tra arte e natura, Firenze 1997.
Walter Angelelli: Ad vocem Guido da Siena, in: Dizionario Biografico degli Italiani, 61, 2003, S. 417-421.