Die Hinterglasmalerei ist eine besondere Art der Glasmalerei, verbreitet im deutschsprachigen katholischen Kulturraum von Bayern über Böhmen, Österreich bis hin zu deutschen Enklaven im heutigen Rumänien. Dabei wurden auf eine dünne Glasscheibe lichtundurchlässige Farben aufgetragen. Hierin liegt der Unterschied zur Glasmalerei, bei der lichtdurchlässige Farben verwendet werden. Die Hinterglasmalerei war für viele bäuerliche Familien eine Winterbeschäftigung. Dabei wurden vor allem in Sandl, Oberösterreich, von Familien im 19. Jahrhundert innerhalb eines Winters bis zu 20.000 Hinterglasbilder mit verschiedenen Motiven bemalt. Populär war in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts auch das Jüngste Gericht, wobei das Himmlische Jerusalem stets oben links als einfache rundbogige Tür zu finden ist, der höchstens noch ein Stück Mauer mit ein, zwei Fenstern beigegeben ist.
Eine der ältesten erhaltenen Hinterglasmalereien stammt aus Buchers. Der Ort befindet sich in Tschechien und liegt im Gratzener Bergland direkt an der Grenze zu Österreich. Einst war er ein Zentrum der Glaskunst, und um 1810 ist dort diese 47 x 36 Zentimeter kleine Malerei entstanden. Thema ist das Jüngste Gericht mit Christus als Richter in der Mitte. An seiner rechten Seite (für den Betrachter die linke Seite) ist das Neue Jerusalem dargestellt, in Form einer Himmelspforte. Für eine Hinterglasmalerei ist diese frühe Darstellung detailreich, man erkennt die Struktur der Türaußenseite und den Schlüssel, mit dem sie gerade von Petrus geöffnet wird. Interessanterweise ist Petrus nicht allein mit zwei roten Flügeln ausgestattet, er hat auch zwei Schlüssel dabei. Überhaupt hatte der Maler oder die Malerin eine Tendenz zu Verdoppelungen: Deutlich sieht man auf dem Ausschnitt, dass Christus in beiden Händen ähnliche Gegenstände nach oben hält; offensichtlich zwei schmiedeeiserne Schwerter. Auch bei den Flügel ist man durcheinander gekommen: So bekam Petrus hier nicht zwei Engelsflügel, sondern irrtümlich Fledermausflügel, mit denen eigentlich Dämonen oder Teufel ausgestattet wurden. Überhaupt sieht der Himmelspförtner mit dem Dreitagesbart wenig vertrauenerweckend aus. Das Werk war Teil der Kunstsammlung von Udo Dammert (1904-2003), der es 1992 auf einer Auktion in Prag erwerben konnte. Die Pretiose wird heute im Schlossmuseum Murnau (Inventarnummer 4286) aufbewahrt. Eine spätere Kopie dieser Fassung wurde um 2023 beim Auktionshaus Dorotheum in Wien versteigert (Bild vorhanden).
Um 1840 entstand eine veränderte horizontale Fassung, die überaus beliebt, dass heißt, oft kopiert wurde. Die „Urfassung“ (links) von etwa 1840 als polychrome Öl-Mischtechnik mit Blattgold hinter Glas ist in Sandl nachgewiesen. Bei diesem Weltgericht (Gesamtgröße 40 x 30 Zentimeter) besteht die Himmelspforte aus einem rechteckigen Block, über die nochmals ein etwas kleiner, ebenfalls rechteckiger Block gesetzt ist. Der untere Block ist dem Tor vorbehalten, welches gerade von Petrus aufgeschlossen wird und wie folgt tituliert ist: „Kommet her ihr Gebenedeiten meines Vaters“.
Beliebt werden sollte diese Bildkomposition vor allem mit einem goldenen Hintergrund. Das Beispiel (rechts, als Mischtechnik mit Blattgold hinter Glas, Gesamtgröße 32 x 42 Zentimeter) stammt aus dem Böhmerwald bei Nové Hradů. Heute gehört es zur Ethnografischen Sammlung des Tschechischen Nationalmuseums in Prag. Mit schätzungsweise 60 erhaltenen Kopien, die sich in der Ausführung nur minimal unterscheiden, war dieses Weltgericht die erfolgreichste Hinterglasmalerei überhaupt.
Das Motiv wurde vor allem in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zur Massenware. Kleinere Änderungen wurden vorgenommen: Die dunkle Wolke über der Pforte ist verschwunden. Petrus hat jetzt einen Heiligenschein und aus den roten Flügeln wurde ein rotes Gewand. Die Pforte ist nicht mehr hölzern, sondern, wie man an der linken Seite erkennen kann, ein zweistöckiger Steinbau. In dieser Variante, ca. 48 x 38 Zentimeter groß, entstanden mehrere Fassungen, vermutlich in der gleichen Glasmalerei-Werkstatt in Sandl hergestellt und von verschiedenen Malern ausgeführt. 2013 stand die Pretiose im Wiener Auktionshaus Dorotheum zur Auktion an, wie überhaupt Hinterglasbilder, anders als Kirchenfenster, immer wieder auf Auktionen den Besitzer werden.
Um 1840 entstand eine veränderte horizontale Fassung, die überaus beliebt, dass heißt, oft kopiert wurde. Die „Urfassung“ (links) von etwa 1840 als polychrome Öl-Mischtechnik mit Blattgold hinter Glas ist in Sandl nachgewiesen. Bei diesem Weltgericht (Gesamtgröße 40 x 30 Zentimeter) besteht die Himmelspforte aus einem rechteckigen Block, über die nochmals ein etwas kleiner, ebenfalls rechteckiger Block gesetzt ist. Der untere Block ist dem Tor vorbehalten, welches gerade von Petrus aufgeschlossen wird und wie folgt tituliert ist: „Kommet her ihr Gebenedeiten meines Vaters“.
Beliebt werden sollte diese Bildkomposition vor allem mit einem goldenen Hintergrund. Das Beispiel (rechts, als Mischtechnik mit Blattgold hinter Glas, Gesamtgröße 32 x 42 Zentimeter) stammt aus dem Böhmerwald bei Nové Hradů. Heute gehört es zur Ethnografischen Sammlung des Tschechischen Nationalmuseums in Prag.
Gleichzeitig wurde diese Hinterglasmalerei (1850-1900) im Online-Kunsthandel angeboten. Der Hintergrund eines 28 x 38 Zentimeter großen Weltgerichts, hier im satten Gelb, konnte ganz verschiedene Farben haben, hier gab es keine Tradition oder theologische Präferenz. Die hiesige Fassung ist detailreich und gekonnt ausgeführt, das zeigen die Proportionen und der Ausdruck der Figuren. Eine ähnliche Fassung, leider beschädigt, befindet sich im Besitz des Nationalmuseums von Slowenien (Hintergrund ebenfalls gelb, Türfüllung türkisfarben).
Diese Fassung aus der zweiten Hälfte des 19. Jh. ist dahingehend eine Besonderheit, weil es die einzige Fassung ist, auf der das Motiv einmal in die Breite gezogen wurde. Entstanden ist sie in Oberösterreich. Im Aufbau und in der Farbwahl ist das Bild der vorangegangenen Malerei (von der Auktion) ähnlich. Auch hier ist der Pfeiler neben der Pforte an der rechten Seite, obwohl er sich als Rahmung an der linken Seite besser gemacht hätte. Durch den vergrößerten Raum ist es nun möglich, die Zitate nicht unter, sondern neben die Pforte zu setzen. Da der Hintergrund in Teilen bereits goldfarben ist, wählte der Maler bei der Tür ein ungewöhnliches Schwarz, was nicht nur für die Hinterglasmalerei selten ist. Diese Fassung ist aus der Sammlung der Hinterglasmalereien aus dem Diözesanmuseum Freising, eine Kopie mit gleichen Motiven und Beschriftung, aber geringfügig anderer Kolorierung befindet sich in einer Privatsammlung in München (zeitweise ausgestellt im Dorotheum Wien, Judith Hiessel).
Eine weitere Malerei aus dem Diözesanmuseum Freising kann anhand der Figuren ebenfalls auf die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts datiert werden. Im Vergleich zu den anderen hier präsentierten Arbeiten wäre sie nicht erwähnenswert, wenn nicht die Himmelspforte es wäre: Es ist die weltweit einzige mir bekannte Fassung einer Hinterglasmalerei, bei der die Pforte nicht gebogen, sondern rechteckig ist. Vermutlich handelt es sich um einen Fehler des Koloristen: Wäre er bei der Vergoldung der Bogenlinie der Pforte gefolgt, hätte sich ein Rundbogen ergeben. Die Kolorierung ist auch an anderen Stellen nachlässig, so ist das Schwert in der rechten Hand Christi so gut wie nicht zu sehen. Deutlich zu sehen ist jedoch das kunstvolle Beschlagwerk der Pforte. Um das Schloss zieht sich eine Schmuckkette, die jeder katholische Betrachter im 19. Jahrhundert mit dem Rosenkranz identifizierte.
Von etwa 1850 bis 1900 gab es auch sehr einfache Ausführungen. Diese Fassung (Privatsammlung München) ist unten zwar als „Jüngstes Gericht“ tituliert, verzichtet aber ansonsten vollständig auf die Beschriftung. Die Personenzahl wurde reduziert, aber der Regenbogen, auf dem Christus thront, zieht sich nun durch das gesamte Bild. Die Pforte ist sehr dunkel gehalten, auf dem Original deuten schwarze Balken die Beschläge an. Auf der angrenzenden rechten Seite zieht sich ein Bogenansatz nach rechts zu Christus hin. Ursprünglich stand hier vermutlich die Tür im geöffneten Zustand, was aber wieder zurückgenommen wurde, wovon noch die zahlreichen Verschmierungen in diesem Bereich zeugen.
Eine ähnliche Fassung gleicher Zeit stammt aus Oberösterreich. Heute in einer Privatsammlung, stand sie im Jahr 2014 zum Verkauf an. Überhaupt waren in der Zeit 2013/14 außergewöhnlich viele Hinterglasmalereien auf dem Kunstmarkt. Hier hat die goldene Pforte vor schwarzem Hintergrund eine rustikale Rahmung. Petrus rechts hat übrigens wieder seine roten Flügel, die man schon bei älteren Hinterglasmalereien finden kann.
Claus Hansmann, Gislind Ritz: Kunterbunter Bauernhimmel, München 1961.
Gislind M. Ritz: Hinterglasmalerei. Geschichte, Erscheinung, Technik, München 1972.
Christian Grinninger: Malen hinter Glas. Zur Geschichte der Hinterglasmalerei: Sandl-Bilder, Linz 1988.
Hermine Aigner: Die Hinterglasmalerei in Sandl, Buchers, Sandl, um 1992.
Hinterglasmalerei Europa, China, Indien, München 1993.
Yves Jolidon: Alte Quellen in neuem Licht: Betrachtungen zur Schweizer und Augsburger Hinterglasmalerei des späten 17. und des 18. Jahrhunderts, in: Bayerisches Jahrbuch für Volkskunde, 2009, S. 63-72.
Diese weitere Hinterglasmalerei ist in Süddeutschland oder in der Schweiz in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts entstanden, heute gehört sie zu den Sammlungen des Museums der Kulturen in Basel. Das Kunstwerk zeichnet das dort im 19. Jahrhundert beliebte Zweiwegebild-Motiv nach. Zu sehen ist das obere Drittel mit dem Neuen Jerusalem. Es handelt sich dabei um eine Kopie ganz ähnlicher zeitgenössischer Drucke, die den Titel haben „Der breite und der schmale Weg“. Hier jedoch sind die Farben viel kräftiger. Auch wurden die meist drei oder vier Fenster an den beiden Seiten der Himmelspforte weggelassen; der Hintergrund bleibt ungestaltet, tiefschwarz.
Ein besonderes Hinterglasbild ist diese komplexe Weltgerichtsdarstellung aus Rumänien die auf das Jahr 1888 datiert ist (Sammlung Ionel Ioanidu, Bukarest). Vermutlich wurde hier ein älteres Kunstwerk in Tempera oder Öl, das verloren ist, kopiert. In der Tradition der orthodoxen Ikonemalerei sowie des Zweiwegebildes befindet sich unten links eine einfache Pforte als einfacher Torbogen. Es ist aber weder die Paradies- noch die Himmelspforte, sondern das Tor zur Hölle. Weit darüber sind zahlreiche Heilige und eine Trinitätsdarstellung zu sehen, umgeben von vielerlei eng gestaffelten Bauten, Türmen und Toren des Neuen Jerusalem, nicht unähnlich einem modernen „Wimmelbild“. Über die Sammlung Willy Pragher gelangte eine seltene Aufnahme der Malerei in das Landesarchiv Baden-Württemberg, Abteilung Staatsarchiv Freiburg (W 134, Sig. 133) – ob sich das Original erhalten hat, ist nicht bekannt.
Juliana Dancu, Dumitru Dancu: Die bäuerliche Hinterglasmalerei in Rumänien, Berlin 1980.
Juliana Dancu, Dumitru Dancu: Hinterglasmalerei in Rumänien, Bukarest 1982.