Diese Pélerinage war gegen Ende des 14. Jahrhunderts/Anfang des 15. Jahrhunderts in der Abtei St. Martin in Tournai gefertigt worden, einem gewerbsmäßigen Zentrum mittelalterlicher Handschriftenherstellung. Von dort gelangte sie über die Abtei St. Rictrudis in Marchiennes in ihren heutigen Aufbewahrungsort, die Stadtbibliothek von Douai im Département Nord der Region Nord-Pas-de-Calais (Douai, Bibliothèque Municipale, MS 768, vol. 1). Die Miniaturen sind, wie auch andere Illustrationen dieses Werkes, geprägt vom zurückhaltenden Einsatz von Farben, lediglich Gelb und etwas Rot illustrieren das ansonsten vorherrschende Beige.
In der Abbildung auf fol. 1 ist eine schlafende Person mit geschlossenen Augen in einem luxuriösen Bett mit einem Baldachin zu sehen. Die Vision der träumenden Person erscheint in einem Spiegel, der vor dem Bett steht und damals in Haushalten besser gestellter Bürger oder Adeliger zu finden war, sicherlich aber nicht in einer einfachen Mönchszelle.
Die folgenden zwei Miniaturen auf fol. 1v schreiben die Geschichte fort: Der Pilger gelangt bis vor die Tore Jerusalems, aber dort ist zunächst seine Reise zu Ende. Ein Engel hält Wache und verwehrt mit einem Schwert den Zutritt. Also greifen die Mönche zu einer List und versuchen zunächst, sich mit angeklebten Flügeln in die Lüfte zu erheben. Hier wird ein Mönch dabei gezeigt, wie er sich gerade solche Flügel bastelt. Die Geschichte geht natürlich auf ältere Vorbilder zurück, Dädalus und Ikarus, und verpackt die antike Geschichte in ein christliches Gewand.
Fol. 2 vereinigt gleich drei Miniaturen auf einem Blatt: Zunächst wird ein Versuch mit einer Leiter gestartet, was misslingt. Daher wollen die Mönche sich nun an einer Kordel in die Stadt ziehen. Die letzte, dritte Miniatur zeigt die Mönche vor dem Heiligen Petrus. Um in die Stadt zu gelangen, ziehen sie ihre alte Kleidung aus und bekommen neue Gewänder. Das Himmlische Jerusalem ist auf den letzten fünf Miniaturen stets ähnlich gestaltet: Es ist eine kompakte Anlage, weder rund noch quadratisch. Markant sind die hohen Mauern, die gelegentlich durch Schießscharten oder Profile strukturiert sind. Im oberen Bereich findet man, eine Modeerscheinung um 1400, blaue Dächer, dies ist die wesentliche farbliche Hervorhebung.
Maurits Smeyers: L’art de la miniature flamande du VIIIe au XVIe siècle, Tournai 1998.
Dominique Vanwijnsberghe: ‚De fin or et d’azur’, Leuven 2001.
Lieve Watteeuw, Jan van der Stock, Bernard Bousmanne, Dominique Vanwijnsberghe (Hrsg.): New perspectives on Flemish illumination, Leuven 2018.