Jan Provoost (1465-1529): Weltgerichtsaltar (um 1525)

Wollte man im Mittelalter von der Malerei leben, konnte man sich Aufträgen für die beliebten Weltgerichtsaltäre kaum entziehen. Solche gibt es auch von Jan Provoost (auch Provost, 1465-1529), einem flämischen Maler, Kartographen und Ingenieur. Mindestens drei seiner Arbeiten haben sich erhalten. Diese waren vor allem für private Kapellen gedacht, die damals in jeder Burg und auch vielen bürgerlichen Haushalten ab einer bestimmten Größe zu finden waren – später waren es genau diese Arbeiten, die in staatliche Kunstsammlungen gelangten.
Lediglich als goldenes Rahmenfragment zeigt Provoost das Himmlische Jerusalem auf einem Weltgericht von etwa 1525, das sich einst in der Sammlung von König Louis Philippe I. befand. Im Jahr 1888 kam es als Schenkung von James E. Scripps in das Detroit Museum of Art. Im Aufbau ist es noch typisch mittelalterlich: oben Christus als Richter, unten die Auferstehung der Toten, links das Neue Jerusalem, rechts die Hölle. Die landschaftliche Szenerie und vor allem die Emotionen der handelnden Personen verweisen bereist in die Renaissance.

Auf dem 78 x 15 Zentimeter großen Gemälde kommt die Ähnlichkeit zu einem Werk von Jean Bellegambe deutlich zum Ausdruck, nicht allein bei dem Pfeiler der Himmelspforte als vergoldetes schmiedeeisernes Gitter, sondern vor allem bei den Fantasiebauten der Paradieslandschaft. In dieser Landschaft ist das Torfragment, teilweise von Wolken verdeckt, lediglich ein Architekturensemble von vielen. Bemerkenswert ist, dass sich Petrus hier nicht, wie sonst üblich, um die Ankommenden kümmert, sondern verträumt nach oben schaut. So bemerkt er auch nicht die Siegesfahne, die normalerweise immer das Lamm Gottes trägt, die hier aber etwas verloren neben der Pforte in den Grund gerammt ist. Es ist das Georgskreuz, das sich aus spätmittelalterlichen Wandmalereien Piemonts und Savoyens immer mehr nach Norden ausbreitete.

Max J. Friedländer: Joos van Cleve, Jan Provost, Joachim Patenier, Berlin 1931.
Simone Speth-Holterhoff: Trois panneaux de Jean Provost, in: Bulletin des Musées Royaux des Beaux-Arts de Belgique, 14, 1965, S. 15-26.
Molly Faries: The underdrawing of Jan Provoost’s Last Judgment and related paintings, in: Dominique Hollanders-Favart (Hrsg.): Le dessin sous-jacent dans la peinture, 1989, S. 137-144.
Ron Spronk: An early sixteenth century Last Judgment by Jan Provoost, in: Hélène Verougstraete (Hrsg.): Le dessin sous-jacent et la technologie dans la peinture. Colloque XI, 1995, Louvain-la-Neuve 1997, S. 43-51.
Maximiliaan P. J. Martens (Hrsg.): Brugge en de Renaissance. Van Memling tot Pourbus, Ludion 1998.
Ron Spronk: Tracing the making of Jan Provoost’s Last Judgment through technical examinations and digital imaging, in: Bulletin of the Detroit Institute of Arts, 72, 1/2, 1998, S. 66-79.

 

tags: Altargemälde, Renaissance, Spätgotik, Fantasie, Weltgericht
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