Dieses Himmlische Jerusalem auf der Rückseite eines frühneuzeitlichen Retabels ist ähnlich wie der meist runde Turm der Heiligen Brigitte gestaltet. Bei der weiblichen Figur rechts handelt es sich aber nicht um die Heilige Brigitte, sondern um die fürbittende Maria, die bittend ihre Hände für die Menschen unter ihr erhebt. Links von ihr ist in den drei Rundbogenfenstern des Torturms nicht etwa die Firnis gebrochen, sondern es wurden damals in dieser Art und Weise kostbare Butzenscheiben aufgemalt. Ansonsten ist der graue Turm einfach und schmucklos gehalten, selbst auf Zinnen verzichtete man. Unten markiert eine schwarze Öffnung den Eingang in die rettende Zone, dort winkt Petrus einige nackte Gerettete nach Innen, unterstützt von einem Engel rechts. Diese Personen wirken recht schematisch und isoliert, fast teilnahmslos blicken sie uns an, nicht die endzeitlichen Ereignisse. Oben eröffnet ein weiterer weiß bekleideter Engel mit einer Posaune das Ende der Welt.
Es handelt sich bei der Malerei in Öl um eine süddeutsche Arbeit von durchschnittlicher Qualität, die zu Beginn des 16. Jahrhunderts in der Alpenregion entstanden ist. So befand sich dieser Schrein einmal im Hochaltar der alten römisch-katholischen Pfarrkirche SS. Pietro e Paolo in Quinto (Kanton Tessin), war dann aber, bevor er 1903 in das Schweizerische Landesmuseum nach Zürich kam, auch in der Kapelle Santa Maria dei Larici oberhalb von Quinto aufgestellt. Die Auftraggeber sind heute ebenso namentlich nicht bekannt wie der oder die Künstler, die möglicherweise aus einer Klosterschule kamen.
Lucas Wüthrich, Mylène Ruoss: Katalog der Gemälde: Schweizerisches Landesmuseum Zürich, Zürich 1996.
Claus Bernet: Neues Jerusalem in Österreich, der Schweiz und der Alpenregion. Ein Kunstreiseführer, Norderstedt 2014 (Meisterwerke des Himmlischen Jerusalem, 18).