In der römisch-katholischen Kirchenkunst wurde auch um die Wende vom 19. ins 20. Jahrhundert das Thema Maria Immaculata zur künstlerischen Darstellung gebracht, das belegen zahlreiche Beispiele aus Frankreich und auch Spanien. Eine besonders filigrane, kostbare und viel zu wenig bekannte Fassung der „Tota Pulchra“ ist in Valencia, in der dortigen Kirche der Laienbruderschaft „Nuestra Señora de la Asunción del Milagro“, beheimatet. Es befindet sich in der Sakristei neben der Eingangstür. Entstanden ist es um 1890 und wurde 2011/12 von der Stiftung La Luz de las Imágenes als hervorragendes Dokument der Kunst um 1900 gereinigt und restauriert. Der Künstler oder die Künstlerin sind leider nicht mehr bekannt.
Das polierte Relief aus Alabaster ist von der Anordnung der Mariensymbole her wie die Holzschnitte in den Stundenbüchern der Zeit um 1500 aufgebaut: Unter einer Erscheinung von Gottvater reihen sich verschiedene Symbole um die mittige Marienfigur. So findet man eine von Tortürmen gerahmte Himmelspforte als mittelalterliches Stadttor mit tiefen Einkerbungen, die kleine Fenster anzeigen. Selbst die einzelnen Steine wurden sorgsam eingearbeitet. Die beiden runden Türme haben ein Kegeldach, in ihrer Mitte befindet sich die anscheinend offene Pforte mit doppeltem Rundbogen. Auf der Abbildung ist dies oben links zu sehen, auf dem Original jedoch oben rechts neben Maria.
Links unten wurde auf dem Relief eine vielgestaltige Civitas Dei angebracht, mit zahlreichen eng aneinander gesetzten Tortürmen. Diese sind ganz ähnlich wie bereits die Himmelspforte gestaltet. Unten, quasi als Fundament der Stadt, zieht sich ein Band entlang, das eigentlich für eine Beschriftung vorgesehen war. Diese wurde, wie auch auf den übrigen Symbolen dieses Reliefs, nicht angebracht. Dennoch wissen wir aus Vergleichen, dass es sich hier um die Gottesstadt handeln muss, in die bereits die Marienfigur hineinragt, die auf einer Mondsichel schwebt.
Claus Bernet: Jugendstil, Secession, Art nouveau, Norderstedt 2013 (Meisterwerke des Himmlischen Jerusalem, 7).