Erentrud Trost (1923-2004): Glasfront der Marienkirche in Heede (1977)

Der kleine Ort Heede im Emsland mit etwa 2500 Einwohnern, viele davon inzwischen keine Katholiken mehr, überrascht mit einer großen römisch-katholischen Kirche, in der mehr als ein halbes Tausend Gläubige die Messe verfolgen können. Der Anlass für den Bau mit dem Namen Marienkirche (Kirche Maria Regina Universorum) waren mehrere Marienerscheinungen über die Jahre 1937 bis 1940 hinweg, die die Stätte zu einem regionalen Wallfahrtsort machten. Schon beim ersten Entwurf stand fest, dass die zwei Flügel der zentralen Glasfront von Erentrud Trost (1923-2004) gestaltet werden sollten, eine Künstlerin und Nonne aus dem Benediktinerkloster Varensell. Bereits im Sommer 1976 wurden die Motive festgelegt und die ersten Entwürfe besprochen, die Herstellung der Fenster folgte dann im März bei der Firma Jostmann aus Paderborn, die es unmittelbar danach einbauten.

Die Glaswand ist beim Betreten der Kirche durch den Haupteingang nicht sichtbar, da sie dem Altar gegenüber an der Westseite liegt. Der linke Flügel zeigt Szenen und Motive aus dem Alten Testament, der rechte Flügel Entsprechendes aus dem Neuen Testament, nach folgender Anordnung: Die Bilder des Alten Testaments sind von links nach rechts zu „lesen“, die Bilder des Neuen Testaments von rechts nach links. An Stellen, wo mehrere Bilder übereinanderstehen, sind sie von unten nach oben zu lesen. Ganz oben, an der Schnittstelle der beiden Flügel, wird das Himmlische Jerusalem zur Klammer der gesamten Wand.

Um die Christusgestalt als zentrale Mitte der Stadt nicht zu zerteilen wurde sie leicht nach rechts verschoben – sie erscheint auf einem Regenbogen und hält das Buch des Lebens (exakt wie auf einem Mosaik für St. Pankratius in Bockum-Hövel, an dem die Künstlerin zeitgleich arbeitete). An der rechten Seite erstreckt sich die Stadt über zweieinhalb Bahnen, an der linken über eineinhalb. Die Verbindung zwischen den Seiten stellt die Künstlerin unten über die vierundzwanzig Ältesten, oben über die Bauten der Stadt her. Die dortigen markanten Türme – gelber Schaft, rote Fenster, goldgelbe halbrunde Kuppel – waren keine Neukomposition für Heede, sondern Trost hatte eine ähnliche Form zuvor schon in St. Hedwig in Steinhagen (1961) sowie in Maria Hilfe der Christen in Hagen (1964) gefunden, wo die Türme auch blau und sogar einmal weiß sein können.

Die Betonung von Christus in der Himmelsstadt setzt sich übrigens im Dachbereich fort. Etwa an der Position der Christusfigur wurde dem Dach ein Kreuz mit einer Krone aufgesetzt. Diese Krone ist ein Symbol des Martyriums – im Kontext mit dem Himmlischen Jerusalem verweist es auf die Märtyrer, die ohne Gericht direkt in die Himmelsstadt gelangen sollen.

Johannes Brinkmann: Michael und die Engel, Heede, um 2024 (3).

 

tags: Glaswand, Emsland
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