In der römisch-katholischen Kirche „Parque del Recuerdo“ in dem gleichnamigen Erholungspark und Friedhof von Santiago de Chile hat der Maler Juan Francisco Echenique (geb. 1949) ein großformatiges Glasfenster geschaffen. Rechts unten hat es der Künstler übrigens signiert. Es hat den Titel „La Jerusalén Celeste“ und stammt aus dem Jahr 1993. Echenique hat sich intensiv mit Kunstgeschichte auseinandergesetzt und sich später auf Ikonenmalerei spezialisiert. Das Motiv in Santiago orientiert sich an frühmittelalterlichen Vorbildern, das Material an der Moderne: verbleites Buntglas, Buntglasplatten und Beton. Links ist eine Gruppe mehrerer Engel und Frauen dargestellt, die, wie andere Details auch, etwas an Jugendstil-Malerei erinnern. Es die klugen Jungfrauen nach dem Matthäusevangelium Kap. 25, Vers 1-13.
Auf der gegenüber liegenden rechten Seite findet man den Seher Johannes auf Patmos unter einem weiteren rot gekleideten Engel mit einem Maßstab, mit dem die heilige Stadt vermessen wird. Bei der Stadt bestechen die leuchtenden Farben, die gut die Edelsteine als Baumaterial verdeutlichen. Vor allem trifft das bei den zwölf Toren am Rand des Quadrates zu. Sie sind dargestellt wie nach außen aufgeklappt (vgl. Morgan-Beatus, um 950). Eine Besonderheit birgt das Stadtinnere: Hier ist links, gemäß der Beatus-Tradition, der Engel mit dem Maßstab ein weiteres Mal dargestellt (vgl. auch den Urgell-Beatus von um 975). Durch ein vertikales weißes Band (den Lebensfluss, vgl. den Turiner Beatus, um 1100) ist er getrennt von Christus, der rechts in einem Tondo als Lamm Gottes zu finden ist. Rechts an seiner Seite wächst der Lebensbaum, der geschickt das Schwingen des Lebensflusses aufnimmt. Bei diesem denken viele an eine Schlange, was aber nicht der Fall ist. Vielmehr wurde der Lebensfluss im Frühmittelalter als breites Band dargestellt. Schmale gerade Lebensflüsse kamen erst dann auf, als vermehrt Flüsse kanalisiert wurden.
Claus Bernet: Beatus-Apokalypsen, Norderstedt 2016 (Meisterwerke des Himmlischen Jerusalem, 38).