Johanna Sadounig (geb. 1950) u.a.: Villacher Fastentuch (1993-1995)

Auch auf Fastentüchern oder Hungertüchern wurde das Himmlische Jerusalem dargestellt, wenngleich äußerst selten. Die Gottesstadt, in der man in Freude und in paradiesischen Zuständen zu leben hofft, ist eher der Gegenpol zur Fastenzeit. Wenn überhaupt, so ist Kärnten eine Region mit einer Tradition solcher Fastentücher. Das Himmlische Jerusalem ist das letzte von 25 Motiven eines Fastentuchs der barocken, römisch-katholischen Kirche Heiligenkreuz in Villach (Kärnten), einer überregionalen Pfarr- und Wallfahrtskirche.

Das Tuch hat eine Gesamtfläche von 9,80 x 6,30 Metern, auf dem die Bilder in fünf Mal fünf Reihen angeordnet sind und ein großes Rechteck ergeben. Es entstand in zwei Etappen von Oktober 1993 bis Juni 1994 und von September 1994 bis Februar 1995, ausgeführt gemeinsam von Anni Jesch, Erika Kronhofer, Marina Schwarzenbacher, Elena Streit, Brunhilde Weger, Heinz Gischa, Erich Kailer, Hans Laber, Josef Schnell und Siegfried Kutta in geschätzten 1.500 Stunden. Dabei waren die Künstler und Künstlerinnen nicht etwa für bestimmte Bilder zuständig, sondern spezialisierten sich ganz wie die mittelalterlichen Meister auf bestimmte Gebiete, wie Architektur, Hintergrundmalerei, Kleidung etc. Sie alle stammten aus der örtlichen Kirchengemeinde, einige hatten sich bereits zuvor künstlerisch betätigt, andere waren Anfänger.

Die Idee dazu hatte Anfang der 1990er Jahre Pfarrer Siegfried Kutta, die künstlerische Leitung die Malerin und Kunstpädagogin Johanna Sadounig (geb. 1950). Der Anlass war das 1994 stattgefundene 750jährige Jubiläum der Stadtpfarre. Von daher wurde das Fastentuch mit freudigeren Motiven als sonst üblich gestaltet: Es sollte Szenen aus der Bibel zum Thema „Rettung und Erlösung“ darstellen. In ihren seelischen und existentiellen Nöten sollten diese Bilder auf die Hoffnung von Gott her verweisen, was in der Haltung des Engels zum Ausdruck kommt, der Johannes aufmuntert und stützt.

Wie andere Motive aus dieser Serie fällt das letzte Bild (unterste Reihe, außen rechts) durch seine leuchtenden Dispersionsfarben auf. Die quadratische Stadt ist gekonnt in einen Kreis eingebunden, dessen obere Hälfte ein Nimbus, und untere Hälfte größtenteils der Arm des Engels ausmacht. In der Mitte des Kreises ist als Hoffnungszeichen das Lamm mit der Georgskreuzfahne gesetzt – noch außerhalb der Stadt. Es ist eine der wenigen Darstellungen, die die Stadtmauer nicht mittig, sondern nur eine Ecke davon zeigt. Dadurch ist es möglich, die Perspektive steil nach oben zu führen und das Zukünftige wie auch das Gewaltige des Geschehens anzudeuten. Das wird durch den Eckpfeiler dramatisiert, dem nochmals ein Turm aufgesetzt wurde.

Eduard Mahlknecht: Die Heiligenkreuzkirche in der Perau, Villach, Kärnten, Salzburg 1996.
Erwin Mock: Entstehung der Hungertücher, Aachen 1998.
Sabine Hahn: Renaissance der Hungertücher, in: Das Münster, 54, 2001, S. 372-377.

 

tags: Georgskreuz, Hungertuch, Fastentuch, Kärnten, Österreich
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