Horst Haack (geb. 1940): Apokalypsezyklus (1999)

Horst Haack war in den 1970er bis 1990er Jahre einer der führenden Grafiker der BRD, der mit Zeichnungen, Gouachen, Fotos und Collagen hervortrat. Mischwerke und grenzüberschreitende Mixed-Media-Arbeiten zeichnen sein Œuvre aus. 1940 in Neubrandenburg geboren, lebte der Künstler nach dem Krieg zunächst in Lübeck. 1959 zog er nach West-Berlin, um an der Berliner Akademie der Künste Malerei zu studieren. Von 1967 an lebte und arbeitete er auf der spanischen Insel Ibiza. 1979 siedelte er nach Paris über, wo er im Wechsel mit Darmstadt lebte und arbeitete. In seinem Schaffen nimmt sein Apokalypsezyklus eine besondere Stellung ein – besonders deswegen, da allein zu diesem Werk in Paris ein hochwertiger Hartcover-Band erscheinen konnte, der übrigens einen hervorragenden Aufsatz zur Apokalypse in der Kunstgeschichte enthält. Anlass war eine Präsentation der apokalyptischen Serie in Paris; zuvor war sie u.a. 1999 im Kunsthaus Zürich und 2000 im Hessischen Landesmuseum Darmstadt zu sehen, 2018 wieder in der Galerie der Trinkkuranlage von Bad Nauheim.
Die zwei Tafeln (Collagen in der Technik des „Transfer drawing“ auf Basis von Tusche, Farbstift, Lack und Gouache auf Papier) gehören zu insgesamt 150 Tafeln der Maße 22 x 17 Zentimeter, die zu fünf großen Bildtafeln zusammengefasst sind, gleichzeitig sind sie Teil des Zyklus „Apocalypse Grand Format“ von 63 ausgewählten Tafeln. Eigentlich sind die Tafeln nicht für die isolierte Betrachtung geeignet. Ihren Reiz erfährt die Haack-Apokalypse erst durch ihre Gesamtschau, was jedoch nur auf Ausstellungen möglich wird. Haacks Interesse war, laut Katalog, die „Metaphern des Chaos und des Monströsen“ aufzuzeigen, die er in einen aktuellen zeitlichen Zusammenhang stellen wollte – das verdeutlichen vor allem die Tafeln zum Weltuntergang, zu den Zornesschalen, zu Babylon, auf denen Haack immer wieder Gebrauchsgrafiken (aus Tagespresse, Postkarten, aus Büchern, sogar Briefmarken) einbaute und sie (ähnlich wie Arnulf Rainer) übermalte, um ihnen eine neue Aussage zu verleihen. Die beiden Tafeln zum Himmlischen Jerusalem können die Schrecken und die Kriegsdarstellungen nicht nochmals ins Positive steigern, sondern sind überraschend zurückhaltend, ja nüchtern – das ist auch der Tatsache geschuldet, dass dem Künstler, anders bei den apokalyptischen Schrecken, selbstverständlich keine Fotos des Neuen Jerusalem zur Verfügung standen. Seite 89 zeigt also blaue Mauern aus Jaspis, darüber ausgewählte Verse des 20. Kapitels der Johannesoffenbarung (oben). Häuser (zwei Kirchen?) ragen nach oben, um kurz darauf wieder im weißen Nebel einzutauchen.

Die zweite Tafel auf Seite 91 überrascht noch mehr – nicht Gott oder Christus in seiner Herrlichkeit breiten sich darauf aus, da Haack nicht den Glauben an ein zweites Paradies teilte. Vielmehr findet man Jerusalem als eine irdische Pueblo-Stadtanlage an einem Felsenhang Südamerikas. In einer Collage wurden über die Felsen weitere Felswände gesetzt, die eine surreale, ineinander verschobene Fanatsielandschaft entstehen lässt. Der dazu ausgewählte Text lautet „Und ihre Tore werden nicht verschlossen des Tages; denn da wird keine Nacht sein. Und man wird die Pracht und die Herrlichkeit der Völker in sie bringen. Und wird nicht hineingehen irgendein Unreines und nicht, der da Greuel (sic!) tut und Lüge, sondern allein die geschrieben“ – hier bricht der Text (Kap. 20, Vers 25 und 26) ab – er steht nur bedingt in einem inhaltlichen Zusammenhang mit der Illustration, sondern ist vielmehr gleichberechtigter graphischer Bestandteil der Collage – Bild und Text durchmischen sich.

Horst Haack: Apocalypse, Heidelberg 2004.
Christoph Zuschlag: 1. Die Johannes-Offenbarung in der bildenden Kunst. Zwei Beispiele aus den 1990er Jahren: Rune Mields und Horst Haack, in: Lothar Bluhm, Markus Schiefer Ferrari, Hans-Peter Wagner, Christoph Zuschlag (Hrsg.): Untergangsszenarien. Apokalyptische Denkbilder in Literatur, Kunst und Wissenschaft, Berlin 2013, S. 71-96.

 

tags: Rauminstallaktion, Apokalypsezyklus, Mixedmedia, Collage, Übermalung
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