Claes Peterssoen: Niederländische Historienbibel (1431)

Eine frühe Bibelausgabe in niederländischer Sprache ist MS 9020-9023. Die darin enthaltene bebilderte Apokalypse zeigt auf fol. 142, wie ein Engel beschäftigt ist, das Himmlische Jerusalem zu vermessen. Besondere Sorgfalt hat der Künstler darauf verwendet, jeden der zwölf Türme der Gottesstadt individuell zu gestalten, der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt, das Ganze hat surreale oder vielmehr surrealistische Züge.

Im Innen der Stadt sind weitere Bauten, auch Kirchen, zu finden. Ein sich verjüngender Rundbau auf der linken Seite erinnert an die Form heidnischer Tempel, er ist aber durch ein weißes Kreuz als Kirche markiert – vermutlich stellte man sich so im 15. Jahrhundert die Grabeskirche vor. Vor und hinter diesem Bau erscheint ein schuppenartiges Geflecht – vermutlich soll es eine freie Grünfläche markieren, was aber aussieht wie ein gewaltiger Fisch. Eigenartig sind auch die sieben Lilien in der rechten Hand eines zweiten Engels, der noch außerhalb der Stadt steht. Lilien werden in der Johannesoffenbarung nicht genannt, eigentlich sind es Attribute Mariens. Im Zusammenhang mit dem Himmlischen Jerusalem spielen sie nur einmal bei Brigitte von Schweden (um 1303-1373) eine Nebenrolle.
Die Handschrift ist auf 1431 datiert, geht aber im Text auf eine Fassung von 1360 zurück. Einst ist sie in Utrecht entstanden. Sogar der Künstler, der diese Miniatur geschaffen hat, ist namentlich bekannt: Claes Peterssoen aus Holland. Außer dem Namen ist jedoch nichts Gesichertes aus seinem Künstlerleben bekannt geworden. Sein Werk taucht erstmals 1467 im Inventar von Philipp dem Guten (1396-1467) auf, bis es 1816 in die Bibliothèque Royale de Belgique gelangte. Ihre heutige Signatur ist MS 9002-9023. 

A. 60. Bruxelles, B. R., 9018-19 + 9020-23, in: François Masai, Martin Wittek (Hrsg.): Manuscrits datés conservés en Belgique, 1: 819-1400, Bruxelles-Gand 1968, S. 69.
172. 9018-19 + 9020-23, in: François Masai, Martin Wittek (Hrsg.): Manuscrits datés conservés en Belgique, 2: 1401-1440, Bruxelles-Gand 1972, S. 43.
K. G. Boom: De Historie-bijbel van het Koninklijk Oudheidkundig Genootschap, in: Jaarverslag Koninklijk Oudheidkundig Genootschap, 114-118, 1977, S. 60-71.
Anne S. Kortweg: The Utrecht history Bibles, ca. 1430-1445, in: Rijksmuseum Het Catharijne Convent (Hrsg.): Golden Age of Dutch manuscript painting, Stuttgart 1989, S. 129-145.
Wilhelmina C. Wüstefeld: Manuscript painting in the circle of the Master of Catherine of Cleves (ca. 1435-60), in: Jeffrey F. Hamburger, Anne S. Korteweg (Hrsg.): Tributes in honor of James H. Marrow. Studies in painting and manuscript illumination of the Late Middle Ages and Northern Renaissance, London 2006, S. 585-599.
Claus Bernet: Gotik, Norderstedt 2015 (Meisterwerke des Himmlischen Jerusalem, 30).

 

tags: Bibliothèque Royale de Belgique, Lilie, Grabeskirche, Königliche Bibliothek Belgiens, Historienbibel
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