Wolf-Dieter Kohler (1928-1985): evangelische Kirche St. Jakobi von Itzehoe (1978)
Wolf-Dieter Kohler (1928-1985) war ein Glasmaler, der hauptsächlich in den Grenzen seiner Landesgrenze, in seinem Fall Württemberg, tätig gewesen war. Das war zu seiner Zeit der Normalfall: Die evangelischen Landeskirchen hatten jeweils „ihre“ Künstler, die überwiegend in ihrem Gebiet tätig wurden: so etwa für Kurhessen-Waldeck Erhardt Klonk, für Hannover Heinz Lilienthal, für Baden Peter Valentin Feuerstein. Von der Nachkriegszeit bis in die 1970er Jahre wurden damals für so viele Kirchen Verglasungen vergeben, dass sich die Frage, über die Grenzen der Landeskirche hinaus tätig zu werden, gar nicht stellte. Ausnahmen gab es natürlich hin und wieder. So hat Kohler ein Fenster mit dem Himmlischen Jerusalem in Rheinland-Pfalz (Freckenfeld, 1960) gestaltet, und ein ähnliches Fenster für die evangelische Kirche von Itzehoe in Schleswig-Holstein im Jahr 1978. Nicht unzutreffend bezeichnete sich die Gemeinde selbst als „gemütliche Kirche aus den fünfziger Jahren“ – vielleicht tragen auch die Fenster zu der Gemütlichkeit bei?
Tatsächlich war die Intention für die neuen Fenster, deren Einbau ja nur eine Generation nach der Erbauung der Kirche zustande kam, mehr Farbe und Freundlichkeit in den als karg empfundenen Nachkriegsbau zu bringen. Kohler widerstand der Versuchung, hier eine Kopie einer seiner vielen Glasarbeiten aus Württemberg zu präsentieren, was damals im hohen Norden kaum aufgefallen wäre. Der Kontakt in den Süden ging damals aus von Herbert Blöchle, einem Pfarrer aus Württemberg, der Kohler noch von seiner Ausbildungszeit her kannte und von der Qualität des damals noch jungen Talents überzeugt war. Jetzt gab er Kohler Gelegenheit, am Ende seiner Karriere noch einmal sein zentrales Bildmotiv, das Neue Jerusalem, umzusetzen. Insgesamt hat Kohler für die Kirche 13 Fenster entworfen, die die Firma Gaiser & Fieber in Stuttgart herstellte und die nach Norddeutschland transportiert wurden, um vor Ort eingebaut zu werden. Man findet das Jerusaemfenster an der linken Seite direkt vor dem Altar. Leider stört ein fest montierter Lautsprecher gewöhnlich den Blick auf die Stadt und ihre Einzelheiten – die hiesige Aufnahme wurde nur möglich Dank einer aufwendigen Demontage der schwarzen Box.
Dahinter kommen zwölf blockartige Tore zum Vorschein, die symmetrisch angeordnet sind. Ihre Rahmen sind nicht einheitlich goldfarben sondern auch silberfarben. Die Füllung wechselt von Rot zu Grün. Die Tore umschließen den Lebensbaum, der hier so realistisch wie nie zuvor bei Kohler gezeichnet ist. Überhaupt lässt sich im Spätwerk des Künstlers eine Hinwendung zu neuer Figürlichkeit feststellen. So kann man selbst einzelne Äste erkennen, und die Zahl der Früchte entspricht jetzt – sicher nicht zufällig – exakt der biblischen Angabe.
Ein Detail am Rande, das nur auffällt, wenn man sich mit Signaturen beschäftigt: Bis in die 1970er Jahre signierte der Künstler stets mit „Wolf Dieter Kohler“. Hier findet man erstmals ein Beispiel für den neu eingesetzten Bindestrich – in dieser Fassung, also also „Wolf-Dieter Kohler“, und so wird der Künstler heute überwiegend geschrieben.
Rudolf Gieseler: Probleme der Nachkriegszeit. Itzehoe von 1945‒1955, in: Itzehoe, Geschichte einer Stadt in Schleswig-Holstein, 2: Von 1814 bis zur Gegenwart, Itzehoe 1991, S. 347-349.
Christa Birkenmaier (Hrsg.): Wolf-Dieter Kohler, 1928-1985. Leben und Werk, Petersberg 2021.