Joachim Spiess (1930-1994): Portalschmuck der Liebfauenkirche in Marburg (1963)
Anfang der 1960er Jahre wurde auf einem 10.000 Quadratmeter großem Areal im Süden von Marburg die Liebfrauenkirche, ein dazugehöriges Pfarrhaus, der Gemeindesaal und der der Neubau eines Säuglings- und Kinderheims errichtet, das von Vinzentinerinnen aus Fulda betreut wurde. Es war das dritte römisch-katholische Pfarrzentrum der Stadt. Die neue Kirche wurde von dem Architekten Günther Maiwald bewusst gegen den traditionellen Kirchenbau errichtet, so findet sich auch der Eingang nicht direkt an der Straße, sondern nach innen gezogen vor einem, so heißt es in den Bauunterlagen, „Begegnungsplatz“. Am Ende dieses Platzes befinden sich der Haupteingang mit sechs holzverkleideten Flügeltüren.

Über diese wurde, in freier Anlehnung an einen mittelalterlichen Tympanon, ein zwei Meter hoher Fries aus Sichtbeton gelegt. In zwei Zonen sind zwölf einfache Blocktore aneinander gereiht, oben acht und unten vier. Sie unterscheiden sich vor allem in der Größe. Eines der Tore, das dritte der oberen Reihe, hat am Fundament einen quadratischen Block vorgesetzt – ein Verweis auf Christus als den verworfenen Eckstein (Psalm 118, 22).
Der Fries wurde 1963 an den Rohbau angebracht. Ursprünglich hatten die Tore und der Untergrund eine einheitliche beige Färbung. Durch die Verschmutzung vor allem in Folge des starken Straßenverkehrs haben sich mit den Jahren die Tore dunkel bis schwarz verfärbt. Dadurch ergibt sich zum helleren Untergrund ein starker Kontrast, die Tor sind jetzt sogar besser zu erkennen.

Der Fries wurde von dem damals jungen Bildhauer Joachim Spiess (1930-1994) entworfen und von dem Bauunternehmen J. Bieker in Cölbe hergestellt. Spiess war gerade von einem längeren Aufenthalt in Ibiza zurückgekehrt und hatte seine Lehrtätigkeit an der Universitäten Gießen begonnen. Sein Fries für die Liebfrauenkirche entstand parallel mit einem Fenster für St. Willibrord in Wesel – beides sind die ersten sakralen Aufträge an den Künstler, der in den nächsten zehn Jahren noch weitere Kirchen in Hessen ausstattete, bis er sich Schwerpunktmäßig auf Radierungen und Zeichnungen konzentrierte.
Horst Schwebel (Bearb.): Joachim Spies, Marburg, um 1969.



