Schwibbögen mit Himmelspforte aus dem Erzgebirge (ab 1990er Jahre)

Als „Schwibbogen“ bezeichnet man einen hölzernen oder metallenen Lichterbogen aus dem Erzgebirge, wo diese seit Mitte des 18. Jahrhunderts ein fester Bestandteil der Volkskunst sind. Der Name leitet sich von der Form eines Schwebe- oder Strebebogens ab, wie er sich in ähnlicher Form in der Architektur wiederfindet. Durch seine äußere Gestalt liegt die Assoziation mit einer Pforte nahe, so dass die Ansicht vertreten wurde, dass eigentlich jeder Schwibbogen die Himmelspforte repräsentiert oder als solche gesehen werden könnte. Es gibt aber auch Schwibbögen, die in sich oder auf sich die Himmelspforte selbst darstellen, konkret mit Figuren oder Ornamenten. Über die ersten Himmelspforten als Schwibbögen wissen wir wenig – eine wissenschaftliche Schwibbogenforschung existiert kaum, staatliche und private Museen besitzen nur wenige ältere Modelle, da sie als Massen- und Konsumware selten gesammelt wurden. Exemplare vor 1945, die das Motiv der Pforte zeigen, konnte ich bislang nicht auffinden. In der DDR waren die betont christlichen Himmelspforten, ähnlich wie übrigens im Dritten Reich, kein bevorzugtes Motiv, traditionell wurden Nussknacker, Bergleute und Klöpplerinnen gezeigt – Engel oder gar Heilige dagegen extrem selten. Erst in jüngster Zeit hat sich dies etwas geändert. Dafür steht die Firma Ratags-Holzdesign in Stolpen (Osterzgebirge). Ihre Produkte wurde mit der Besonderheit bekannt, dass die Bögen hier nicht von aufgesteckten Kerzen beleuchtet werden, sondern eine indirekte elektrische Beleuchtung zwischen doppelt gesetzte Bögen eingebaut ist. Um 1998 hatte die Firmengründerin Gitta Heider (1945-2021) mehrere Modelle entwickelt und seitdem im Angebot, die durch ihre Größe, die Bemalung oder weitere Ausschmückung mittels Figuren variiert werden können, so dass immer wieder neue Bögen den Weihnachtsmoden angepasst werden können. Basis ist stets Birkensperrholz, das durch Handarbeit veredelt wird, zum Teil in einer Schauwerkstatt, wo die Herstellungsschritte dieser Kunstwerke verfolgt werden können.

Am weitesten verbreitet ist das Modell „Himmelspforte“, bei der der beleuchtete Bogen mit acht Sternen und einem Mond besetzt ist. Die darunter befindliche Rundbogenpforte besteht aus einem Gatter und ist mit dem rechten Torflügel stets leicht geöffnet. Auf den Wolken um die Pforte finden sich kleine Podeste, auf die Figuren gestellt werden können. Von diesem Modell wurde zeitweise auch die Rohform vertrieben, bei der selbst Sterne und Mond weglassen sind, die Objekte aber mit weißer oder blauer Himmelsfarbe verziert wurden.

Ein alternatives Modell ist genaugenommen kein Schwibbogen, sondern ein beleuchtetes Holz-Weihnachts-Gestell mit einer weit geöffneten Pforte, hinter der die Strahlen einer Sonne oder göttlichen Lichts zu sehen sind. Dieses Modell wird gerne mit musizierenden Engelsfiguren besetzt, womit die Assoziation von Himmelsmusik oder himmlischer Musik geweckt wird. Geleitet wird das Orchester übrigens von dem Heiligen Petrus, der anhand eines Heiligenscheins und mit einem goldenen Schlüssel heraussticht.

Um 2010 kam noch ein blaues „Himmelstor mit Engelsberg“ hinzu, der individuell mit oder ohne Engel bestückt werden konnte, was um 2020 etwas dem Zeitgeschmack angepasst wurde. Kennzeichen beider Werke ist ein Komet direkt über der Pforte.

Eine andere Arbeit (um 2024) belegt ebenfalls die neue Popularität, die der Heilige Petrus in der Himmelspforte erfährt. Zwei Kirchenglocken ersetzen hier die Posaunen des Jüngsten Gerichts, ansonsten ist die Bauweise der Latten-Pforte ähnlich gehalten wie im ersten Beispiel. Neu und ungewöhnlich ist vor allem der Unterbau: Bis zu fünf Podeste geben hier Raum für weitere Figuren, etwa einen Engelschor, was je nach Wunsch zugekauft werden kann.

Damit ist das weihnachtliche Motiv Himmelspforte selbstverständlich nicht erschöpft. So kann ist die Pforte mit einem Teelichthalter verbunden (21 x 7 Zentimeter, um 2015). Auch hier kann anhand eines Heiligenscheins und eines vergoldeten Schlüssels die Figur in der Pforte eindeutig als Petrus identifiziert werden. Vor Petrus, wo man einen oder mehrere Gerettete vermuten könnte, steht ein kleiner Engel mit winzigen Flügeln. Die gleiche Pforte in Form eines Gatters kann man auch eingearbeitet in komplexere Modelle finden, wo sie den Zugang zu einer himmlischen Welt markieren (2024).
Die Firma Ratags hat noch etwas Einzigartiges auf den Markt gebracht. Es handelt sich um eine Art „Himmelspforte zu Selbermachen“. Die Grundform ist eine einfache Pforte, von der ein Flügel offen steht. Umgeben ist sie von Wolken, in die links Sterne eingestanzt sind. Diese Bauteile stehen auf einer doppelten Schwelle, die selbst wieder die Form von Wolken aufnimmt. Die Schwelle dient als Podest, das individuell mit Figuren besetzt werden kann. Auch kann das gesamte Objekt bemalt oder mit Kerzen beleuchtet werden – der Fantasie und Kreativität sind kaum Grenzen gesetzt.

Richard Truckenbrodt: Der Schwibbogen, in: Glückauf, 50, 1930, S. 296-297.
Siegfried Sieber: Der Schwibbogen als Weihnachtsleuchter, in: Der Heimatfreund für das Erzgebirge, 15, 1970, S. 241-243.
Chemnitzer Fachschule für Tourismus (Hrsg.): Deckenleuchter und Schwibbogen im Sächsischen Erzgebirge, Husum 1997.
Erzgebirgische Holzkunst. Ratags Holzdesign Heipro GmbH. Hauptkatalog für Geschenk- und Dekorationsartikel aus dem Hause Ratags, o.O. um 2010.
Wolfgang Lorentz, Heike Lemke-Lorentz: Ortsschwibbögen im Erzgebirge, Wedemark 2024.

 

tags: Pforte, Schwibbogen, Erzgebirge, Volkskunst, Weihnachten
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