Viele mittelalterliche und frühneuzeitliche Bibelausgaben besaßen prachtvolle Einbände, nicht selten aus Gold und Silber profiliert und mit farbigen Edelsteinen verziert. Bereits diese Materialwahl regte dazu an, das Himmlische Jerusalem bildlich mit einzubeziehen. Nur wenige dieser Originaleinbände haben sich erhalten:
-In Museen betrachtete man sie lange als unpassend und ahistorisch, da sie oft aus einer jüngeren Zeit stammten als der Inhalt;
-in Privatbibliotheken war es üblich, dass ein Gelehrter seine Bücher in einem einheitlichen Einband gestalten ließ;
-in Museen wie in Privatbibliotheken war manchmal gerade das wertvolle Material der Grund, sie einzuschmelzen, um davon andere Kunstwerke herzustellen oder Schulden zu begleichen. Es gibt zahlreiche Beispiele, wo dies geschehen ist.
Eine glückliche Ausnahme, neben einem Bibeleinband von 1787, ist der versilberte Einband einer Bibel aus Armenien, der 1698 von dem Goldschmied Karapet Malkhas im Auftrag von Mourat Abraham in Caesarea hergestellt wurde, für ein älteres Messbuch von 1475. Diese Angaben sind in armenischer Schrift in den Buchrücken eingraviert. Heute befindet sich der Einband in der Boston Public Library (Signatur MS q Arm. 1).

Er zeigt eine Konzeption, die man so weder von Wandmalereien noch von Miniaturen her kennt, und die auch in dieser Bibel als Miniatur so nicht vorkommt: Vierundzwanzig Personen sind in Arkaden versammelt, je eine Person besetzt eine Arkade. Sie gruppieren sich unregelmäßig um ein rechteckiges Bildfeld, in dem Gott über dem Himmlischen Jerusalem erscheint. Die Stadt hat ein breites, dreistufiges Fundament, über dem sich Mauern mit vier Säulen erheben. Eine der Säulen wird durch ein Zugangstor unterbrochen, von dem ein Flügel offen steht. Die schwarzen Kerben an seiner Seite sind keine Schlüssellöcher zum Verschließen des Buches (was es auch gibt), sondern sie sollen Fenster oder Schießscharten in der Stadtmauer darstellen. Nach oben geht der Bau in Wolken über. Hier sind mehrere Engel um Gott versammelt, der mit Papstkrone, Zepter und Reichsapfel herrschaftlich ausgestattet ist.
Avedis Krikor Sanjian: A catalogue of medieval armenian manuscripts in the United States, Berkeley 1976.
Abraham Malkhassian: Sur l‘histoire de l‘art arménien de la reliures à Césarée, in: Echmiadzin, 5/6, 1996, S. 174-190.
Claude Mutafian: Arménie. La magie de l‘écrit, Paris 2007.



