Kinderbibeln mit Darstellungen des Neuen Jerusalem sind eine recht späte Erscheinung. Die meisten Ausgaben kamen im 20. Jahrhundert auf den Markt. Selten ist darin die Johannesoffenbarung enthalten, noch seltener eine Illustration des Neuen Jerusalem. In den wenigen Fällen, bei denen die Stadt aufgenommen wurde, wird sie meist besonders prächtig, märchenhaft und farbenfroh präsentiert, da man davon ausgeht, dies sei die Erwartungshaltung von Kindern an eine Stadt. Typische biblische Jerusalems-Merkmale, wie das Lamm, die zwölf Perlen, die Apostel oder die Quadratform wurden hier weggelassen, zugunsten lebhafter Wolken, vieler Bauten und eine Hervorhebung der Lichtstrahlen.

Es handelt sich um eine Malerei aus Giesela Röders Kinderbibel. Die Illustratorin, die die Kunsthochschulen Dresden und Berlin-Weißensee besucht hatte, hat sich Ende der 1980er Jahre ganz auf Kinder- und Jugendbücher spezialisiert. Sie teilte mir in einem Gespräch dazu mit: „Zu der Stadt gibt es keine bestimmte Vorlage; die Architektur- und Stadtentwürfe Tauts sind aber als Ideengeber mit eingeflossen. Die Verbindung zwischen alter und neuer Architektur sollte deutlich werden, die Stadt darf keinem historischen Stil zugehören, sie soll etwas Überzeitliches in sich tragen. (…). Der Hauptbau hat seine Inspiration von der Hagia Sophia, dann auch vom Goetheanum und anderen großen Bauwerken. Dass die Stadt keinen Tempel hat, heißt ja nicht, dass prächtige Hauptgebäude fehlen müssen“.
Die künstlerische Arbeit ist eine Beizeichnung zu „Die Zukunft der Welt – der neue Himmel und die Erde“ für „Meine große farbige Kinderbibel“ (1999) und zieht sich dort über die Doppelseite 234/235. Die Architektur der Stadt ist ausschließlich auf S. 235 zu finden. In wild bewegten Wellen und Wogen – sie können Wasser wie Wolken zugleich sein – erscheint die Stadt in goldgelben und orangen Farbtönen. Ihre runden Mauern sind mit Sternen besetzt, von denen ein, manchmal zwei Strahlen in die Umgebung führen. Im Inneren finden sich ebenso traditionelle Flachbauten wie moderne Architektur (vier Hochhäuser im Hintergrund). Die Kombination erinnert an hispanische und südamerikanische Großstädte, hier allerdings ganz ohne Verkehr, wie übrigens weltweit noch nicht ein Himmlisches Jerusalem mit Autos oder Straßenverkehr dargestellt wurde – offensichtlich verbietet sich in dieser besonderen Stadt Geschäftigkeit oder die Notwendigkeit, schnell an einen anderen Ort zu kommen.
Detlev Block, Gisela Röder: Meine große farbige Kinderbibel. Mit den bekanntesten Geschichten aus dem Alten und Neuen Testament, (Bindlach 1999).



