
Als ich zu Ostern 2023 die Glasfenster der Aachener Kirche St. Adalbert dokumentierte, wurde mir damals ein Lesezeichen geschenkt. Zufall oder nicht war auf diesem ein kleines Himmlisches Jerusalem zu sehen. Ich war damals davon ausgegangen, dass es sich um ein druckgraphisches Werk aus den 1960er Jahren handelte.
Leider war auf dem Lesezeichen der Künstler nicht namentlich genannt, so dass es Jahre dauerte, bis ich die originale Vorlage dazu auffinden konnte. Dabei handelt es sich um ein sogenanntes Primizgewand. Ein solches Primizgewand dient dazu, die erste von einem römisch-katholischen Priester als Hauptzelebrant gefeierte heilige Messe durchzuführen. In diesem Fall handelte es sich um das Primizgewand von Georg Austen, später Monsignore Georg Austen und Leiter des Bonifatiuswerks in Paderborn. Er hatte sich für das weiße Gewand eine überlegten inhaltlichen Aufbau ausgedacht: in rotfarbige Medaillons sind drei Themen bzw. Szenen aus dem Alten Testament auf der Rückseite drei entsprechenden Themen bzw. Szenen auf der Vorderseite zugeordnet. Dabei sind jeweils drei Medaillons übereinander gesetzt und in eine breite, ockerfarbige Stoffbahn eingesetzt.
In der oberen Zone sind es der Besuch der Engel bei Abraham und die Kreuzigung, in der mittleren Zone ein Gastmahl und der Gang nach Emmaus, in der unteren Zone das Paradies und das Neue Jerusalem.
Bei dem Neuen Jerusalem wurde in das Medaillon ein Quadrat eingefügt mit drei Rundbögen an den Seiten als Tore der Stadt. Einige runde, weiße Kreise erinnern an die Perlen. In der Mitte, vor einer gelbgoldenen Gloriole, erscheint das Lamm Gottes. Es sieht aus, als würde es aus einem Grab auferstehen, gleichzeitig ist hier an das Buch des Lebens zu denken. Bei den Zahlen wird nur bei den Toren auf die im Bibeltext genannte Zwölfzahl Bezug genommen, ansonsten herrscht künstlerische Freiheit: So findet man statt zwölf nur acht Perlen, statt zwei Bäume (Lebensbaum und Baum der Erkenntnis) hat der Künstler hier drei gesetzt, und bei dem Wasser des Lebens, welches die neue Schöpfung befruchtet, sind es oben zwei, links und unten vier, rechts hingegen drei Wogen, die zusammen ein Kreuz entstehen lassen.
Bei der Ausführung handelt es sich um eine Batik, die zwischen 1985 und 1986 fertiggestellt wurde. Ausgestaltet hat sie der Präses Wilhelm „Willi“ Pohlmann, der auch künstlerisch hervortrat, während die Ausführung in den Händen von Anne Gödde und ihrer Tochter Maria aus Büren lag.