Nikolauskirche in Elburg: Weltgerichtsfresko (1450-1500)

In den Niederladen haben sich vor allem mittelalterliche Malereien aus dem 15. Jahrhundert erhalten, in dieser Zeit erfolgten die letzten großen Umbauten und Ausmalungen, bevor die Protestanten diese und andere Bildwerke entfernten. Das gilt auch für die Grote of Sint-Nicolaaskerk, die Nikolauskirche des Ortes Elburg in der Provinz Gelderland. Dort wurde allerdings erst 1797 beschlossen, die Fresken in der Kirche mit Tünche zu überdecken – also mehr als 200 Jahre, nachdem die Kirche protestantisch wurde. Bei einer Renovierung von 1971 bis 1975 hat man sich entschlossen, einen Teil der Innenmalereien wieder frei zu legen. Wie zu erwarten war davon auch eine Darstellung des Weltgerichts betroffen, die in zweifacher Hinsicht ein Ausnahmeerscheinung ist, nicht allein für Gelderland.

Die Malerei verteilt sich auf mehre Kappen – für diese Zeit nichts Ungewöhnliches, in der Region findet man solches etwa auch in Delden. Ungewöhnlich ist die strenge Isolierung der einzelnen Bildelemente, man kennt es allein noch von Malereien aus Selm-Cappenberg und Bergneustadt, die ebenfalls aus der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts stammen.
Jeder Kappe ist dabei einer bestimmten Thematik gewidmet. Oben sind dies zwei Engel mit Posaunen, die zum Jüngsten Gericht rufen. Links, auf der guten Seite, findet sich das Neue Jerusalem, rechts die Hölle in Form eines riesigen Maules, welches einige Sünder verschlingt. Darunter stehen wieder zwei Figuren, links Maria und rechts Johannes der Täufer. Komplettiert und verständlich wird das Ganze durch die Figur im Mittelfeld: Christus als Richter mit den gängigen Attributen wie Regenbogen, der Weltkugel, einem Schwert und der Lilie.

Die Stadt links scheint wie auf einer Scheibe zu schweben. Getrennt von ihr ist ein Engel mit den gleichen spitzen Flügeln wie die Engel über ihm. Ein weiterer Engel hilft den Auferstandenen vor der Stadt aus den Gräbern – ein Detail, dass man aus gut 20 Meter Entfernung kaum erkennen kann. Die Stadt dahinter ist eine Agglomeration in Dreiecksform von Mauerteilen und Türmen. Im Zentrum befindet sich der Torbau mit Petrus (am Schlüssel zu erkennen) samt einiger Ständevertreter. Die ausgewählten Personen lachen fröhlich nach unten, wobei es sich aller Wahrscheinlichkeit nach um eine freie Rekonstruktion handelt: Auf mittelalterlichen Weltgerichten wird nicht gelacht, selbst wenn es um so etwas Positives wie den Einzug in das Himmlische Jerusalem geht. Genaugenommen stellt der Restaurator hier auch nicht den Einzug dar, sondern die Personen wurden zum Betrachter hin gedreht. Dadurch betreten sie nicht die Stadt, sondern scheinen aus ihr zu kommen – ebenfalls höchst untypisch für ein mittelalterliches Weltgericht.
Die Malerei im Ganzen birgt aber noch eine ganz andere Besonderheit. Betritt man die Kirche und steht im Kirchenschiff, steht Christus kopfüber, Jerusalem rechts, die Hölle links. Korrekt konnte man die Malerei nur von der anderen Seite vom Altar aus sehen. Damals, als in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts diese Malerei angebracht wurde, stand der Priester jedoch noch mit dem Rücken zur Gemeinde, so dass eigentlich niemand dieses Weltgericht korrekt vor sich hatte. Es wird noch eigenartiger: Um Christus wurde ein Bibelvers gesetzt; an sich nichts Besonderes. Hier jedoch wurde der Vers umgekehrt zur Christusfigur gesetzt – die Gemeinde konnte ihn also von vorne aus lesen – jedenfalls die wenigen Personen, die damals in einer kleinen Landgemeinde des Lesens kundig waren.

Pieter Bondam: Middeleeuwsche Fresko-werken in eenige kerken der Nederlanden, in: Boukundige Bijdragen, 8, 1854, S. 99-106.

 

tags: Weltgericht, Fresko, Niederlande, Gelderland, Rekonstruktion
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