
Augustin Palme (1808-1897): Schlüsselübergabe an Petrus aus der Basilika Vierzehnheiligen (1867)
Im Zuge der Auseinandersetzung zwischen den deutschen Staaten und der römisch-katholischen Kirche in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts lassen sich auf einmal Darstellungen finden, auf denen der Petersdom das Himmlische Jerusalem vertritt. Älter ist selbstverständlich die sich in der Gotik herausbildende Tradition, das Petrus bzw. der Papst die Himmelspforte aufschließt, die meist als Kirchenbauwerk dargestellt wurde. Dieses Bauwerk repräsentiert jedoch immer die Institution Kirche an sich, nicht etwa den Petersdom, den es in seiner markanten Gestalt im Mittelalter ja auch noch nicht gegeben hatte.
Anders im 19. Jahrhundert. Bekannter als Massenware sind etwa entsprechende Illustrationen aus der Zeitschrift „Stadt Gottes“, aber sogar in prominenten Bauwerken lassen sich Beispiele finden – so etwa in der Wallfahrtsbasilika Vierzehnheiligen in Oberfranken, einem mächtigen Barockbauwerk, das machen Pilgern bereits wie das Himmlische Jerusalem auf dem heiligen Berg erschienen sein mag. Der Münchner Historienmaler Augustin Palme (1808-1897) wurde hier mit Innenausmalungen beauftragt. Palme hatte Beziehungen zu Franken, so lebte er einige Zeit in Coburg und hat auch für andere Kirchen dieser Region Malereien geschaffen – er gilt als ein Vertreter der Nazarener-Schule.
Seine Signatur und eine Datierung, 1867, findet man unübersehbar auf dem Gemälde rechts unten, übrigens zusammen mit einer kleinen Palme, dem Logo dieses Künstlers.
In der Basilika ist diese Kartusche leicht zu übersehen, sie befindet sich unter der Orgelempore direkt über dem Eingang, wo alle Blicke auf den beeindruckenden Barockaltar gerichtet sind.
Dargestellt ist die Szene, wo Christus Petrus den Schlüssel zur Kirche übergibt und ihn als seinen Nachfolger ernennt, nach dem Matthäusevangelium: „Ich will dir die Schlüssel des Himmelreichs geben. Was du auf Erden binden wirst, soll auch im Himmel gebunden sein. Was du auf Erden lösen wirst, soll auch im Himmel gelöst sein“. Diese Szene wird hier detailreich ausgeschmückt. Für das Thema ist vor allem die linke Seite relevant. Hier ist eine ideale Familie (Mann, Frau, zwei Kinder) auf dem Weg zu der Kirche auf dem Fels, zu der der Mann wegweisend die Hand ausstreckt.
Doch auch ein einzelner Pilger beschreitet diesen Weg, kaum zu sehen, der bereits die Stufen nach oben beschreitet. Dieses Detail, angelehnt an die Tradition der Zweiwegebilder, ist meisterhaft ausgeführt und verrät die Herkunft des Malers aus der Romantik. Am Ende des Weges thront auf dem Felsen das Neue Jerusalem in Form des Petersdoms, den Palme aus eigener Anschauung kannte, als er sich zu Studien in Rom aufgehalten hatte.
Günter Dippold, Andreas Bornschlegel: Basilika Vierzehnheiligen, Bad Staffelstein 1992.