Christof Grüger (1926-2014): evangelische „Kirche zum Vaterhaus“ (1966)

Die „Kirche zum Vaterhaus“, eine evangelische Kirche in Berlin-Treptow 1911 im Jugendstil erbaut, war im Altarbereich ursprünglich mit fünf farbigen Ornamentfenstern ausgestattet. Diese gingen dann im Zweiten Weltkrieg verloren. Die heutige Fensterlösung für den Altarbereich schuf der Künstler Christof Grüger (1926-2014) aus Schönebeck im Jahr 1966. Ursprünglich gab es drei verschiedene Entwürfe, von denen sich die Kartonzeichnungen im Atelier Grügers erhalten haben. Sie alle beziehen sich auf das Neue Testament: die heutige Fassung, dann eine Fassung mit den Werken der Barmherzigkeit und eine Serie mit den klugen und törichten Jungfrauen. Warum man sich schließlich für die Darstellung des Himmlischen Jerusalem entschieden hat, ist nicht bekannt; heute ist die Fensterserie die älteste Darstellung des Neuen Jerusalem auf einem Glasfenster in ganz Berlin.

Über fünf Rundbogenfenstern sind, zurückhaltend hauptsächlich durch Linienführung gekennzeichnet, die zwölf Stadttore verteilt, von links nach rechts: zwei, drei, zwei, drei und wieder zwei in jeweils einem Fenster, das in sich selbst die Form besitzt wie die Tore, die auf ihm dargestellt sind. Eine rötliche Farblinie zieht sich gebogen von links nach rechts durch die ansonsten überwiegend blaufarbenen Fenster: Es ist die Stadtmauer mit dem Edelsteinfundament, und nicht, wie fälschlich zu lesen ist, der „Erdenkreis“ – Grüger legte Wert darauf, dass mit dem Erscheinen des Neuen Jerusalem eine neue Zeit anbricht und die alte Schöpfung, mit all ihren Problemen und Unzulänglichkeiten, nicht mehr existiert. Die Gesamtschau der Fenster ist allerdings vor Ort in der Kirche schwer zu erfassen, da der Apsisbogen stark gekrümmt ist und man aus verschiedenen Positionen nur einen Teil der Fenster sehen kann. Das eindrucksvolle Gesamtbild kann aber mit Hilfe einer Collage erfasst werden.

Das Fenster ist damals in Gemeindeblättern und Fachjournalen positiv aufgenommen worden, zu recht. Die sakrale Glaskunst war ein kleiner Teilbereich, in dem die DDR hinter der BRD in keinster Weise zurück stand. Glücklicherweise widerstand man der Versuchung, den Sozialismus hier in Verbindung mit dem Christentum darzustellen. Im Gegenteil: Talente wie Gottfried Zawadzki, Lothar Mannewitz oder eben Grüger belegen, dass man – selbst international gemessen – sich auf der Höhe der Zeit befand. Selbst Fachleute können, wenn sie ein Kirchenfenster noch nicht kennen, zwar ziemlich genau das Entstehungsjahr schätzen, aber kaum mit Sicherheit sagen, ob es aus der BRD oder der DDR stammt.

Bastian Müller (Hrsg.): Kirche zum Vaterhaus. Evangelische Kirche in Berlin-Baumschulenweg, Berlin 2009.
100 Jahre Kirche zum Vaterhaus Berlin-Baumschulenweg. Festschrift. Hrsg. von der Gemeindeleitung der Evangelischen Kirchengemeinde Berlin-Baumschulenweg, Berlin 2011.

 

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