Wolf-Dieter Kohler (1928-1985): evangelische Oberhofenkirche in Göppingen (1983)

In der Oberhofenkirche in Göppingen am Neckar zeigt Wolf-Dieter Kohler (1928-1985) die Stadt nochmals so, wie er sie ca. zwanzig Mal zuvor präsentierte: ausschließlich durch Tore in Blockform, mit goldgelber Rahmung und einfarbiger Füllung. Eine solche Lösung bot sich Kohler immer dann an, wenn ein gotisches oder neogotisches Maßwerk vorhanden war und irgendwie mit einbezogen werden musste – für ihn war dieser Position die geeignete, das Neue Jerusalem zu platzieren. In der Oberhofenkirche erweitert er jedoch seine Lösung etwas. Unter das Maßwerk hat der Künstler insgesamt jeweils vier gewaltige Kreise eingesetzt, von denen etwas Kraftvoll-Mediatives ausgeht und die bereits aus Entfernung den Betrachter in seinen Bann ziehen. In dem linken Fenster sitzen ein Mann und eine Frau gegenüber auf einer Bank unter einem Baum.

Das ist keine Anspielung auf die romantische Landschaft im Neckartal, sondern es sind Adam und Eva – nicht allerdings im Paradies unter dem Baum der Erkenntnis, sondern jetzt im Himmlischen Jerusalem unter dem Baum des Lebens, der, wie auch die beiden Personen, vom Wasser des Lebens umflossen ist.
Die Vorgeschichte der Fenster ist bemerkenswert: 1938 wurde von Walter Kohler, dem Vater des Künstlers, im Rahmen eines Umbaus durch den Architekten Hans Seytter, das mittlere Chorfenster fertiggestellt – die weitere Fenstergestaltung verhinderte zunächst der Weltkrieg. Der Sohn hatte schon seit Ende der 1960er Jahre Beziehungen zur Gemeinde und es gab immer wieder Überlegungen zu einer Komplettierung der halbfertigen Chorgestaltung. Als dann Ende der 1970er Jahre endlich eine Neuverglasung angegangen wurde, verzögerten dann archäologische Funde und dadurch notwendige Grabungen den Einbau. Erst wenige Monate vor seinem Tod, als Wolf-Dieter Kohler mehr und mehr von seiner Krankheit gezeichnet war, konnten die Arbeiten endlich in der Glasmanufaktur Gaiser & Fieber vollendet werden.

Vermutlich lagen die Entwürfe für die Tore weiter zurück und stammen aus den ersten Kontakten in den späten 1960er Jahren. Die Motive unter den Toren, also zwei Figuren in einer Art Paradieslandschaft, ist für Kohler neu und findet sich nur noch einmal auf einer zeitgleich entstandenen Glaswand in der Krankenhauskapelle in Sindelfingen.

Manfred Reyle: Oberhofenkirche Göppingen, Göppingen 1983.
Manfred Reyle: Evang. Oberhofenkirche Göppingen, München 1992 (2).
Margit Haas: Stadtkirche und Oberhofenkirche Göppingen, Stuttgart 2005.
Walter M. Keller: Die Urkirche des Filstals. Göppingens Oberhofenkirche in neuem Glanz, in: Schwäbische Heimat. Magazin für Geschichte, Landeskultur, Naturschutz und Denkmalpflege, 61, 2, 2010, S. 165-170.
Andreas Weidle, Gerhard Kneile: Ein Haus voller Schätze. Die Oberhofenkirche in Göppingen, in: Die 3-Kaiserberge und das Stauferland. Landschaft, Geschichte und Kultur zwischen Fils- und Remstal, Schwäbisch Gmünd 2014, S. 308-315.
Christa Birkenmaier (Hrsg.): Wolf-Dieter Kohler, 1928-1985. Leben und Werk, Petersberg 2021.

 

tags: Wolf-Dieter Kohler, Württemberg, Paradieslandschaft, Lebensbaum, Braut
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