Wolf-Dieter Kohler (1928-1985): evangelische Trinitatiskirche von Pfitzingen (1957)

Als Wolf-Dieter Kohler (1928-1985) den Auftrag für die neue Chorraumgestaltung der 1858 errichteten evangelischen Kirche von Pfitzingen (Main-Tauber-Kreis) erhielt, konnte der Künstler auf ein Dutzend Darstellungen des Motivs „Himmlisches Jerusalem“ zurückblicken. Diese waren jedoch alle in Glas gearbeitet, fast immer auf schmalen Fenstern. Hier stand Kohler erstmalig eine weiße Wand in seiner vollen Breite zur Verfügung. Ob die bildliche Ausgestaltung seine Idee war, ob sie von der Gemeinde zu Anlass des hundertjährigen Kirchenjubiläums an den Künstler herangetragen wurde, oder ob sie in einem Austauschprozesse entstand, wissen wir nicht. Im Ergebnis ist jedoch eine himmlische Stadt entstanden, die ihresgleichen sucht: Kohler hat oben sechs Tore der Stadt aneinander gesetzt. Es sind einfache Rundbögen mit einer braunen Füllung. In diesen Toren stehen mächtige Figuren. Es sind Engel mit Feuerschwertern, die die Eingänge etwas theatralisch bewachen. Durch die aufragenden Flügel und die Brustpanzer wirken die Engel wie mittelalterliche Ritter in ihren Rüstungen.

Nach den sechs Toren oben fügen sich zwei Reihen darunter seitlich an, so dass ein gleichschenkliges Dreieck entsteht. Unten, an der Spitze, ist der auferstandene Christus auf einem Thron eingefügt. Er durchbricht hier die Mauern und die Torreihen und ist gewissermaßen der Eingang in die rettende Stadt.
Diese Gesamtkomposition ist auf Fernwirkung ausgerichtet. Bereits vom Eingang her fällt sie als zentraler Wandschmuck in den Blick. Die Blickrichtung wird geschickt durch die Emporenbemalung unterstützt, auf der Reihen von Vierecken, die in Form und Farbe an das Wandbild angelehnt sind, zu diesem hinführen.

Rechts unten, kaum sichtbar, ist die Malerei signiert. Im Gegensatz zu Glasarbeiten, die fast immer von Manufakturen hergestellt und eingefügt wurden, erforderte die Wandmalerei die persönliche Anwesenheit des Künstlers, über Monate hinweg. Aufgrund der Witterung wurden solche Arbeiten fast immer im Frühjahr und Sommer durchgeführt, hier vom Mai bis Juli 1957. Kohler hatte, anders als seine Kollegen Yelin und Saile, keinen festen Stamm von Mitarbeitern, sondern reise mit nur einem Gehilfen an. Da er jedoch zeitgleich an weiteren Fenstern arbeitete (von denen 1957 allein drei das Himmlische Jerusalem zum Thema hatten) waren immer wieder Unterbrechungen notwendig: Arbeiten in der Stuttgarter Werkstatt mussten vorangebracht werden, neue Aufträge erforderten oft die Teilnahme des Künstlers bei Vorbesprechungen.

Vieles zur Kunst Kohlers, auch zu diesem Kunstwerk, habe ich dem Buch „Wolf-Dieter Kohler, 1928-1985. Leben und Werk“ (2021) entnommen. Ohne diesen hilfreichen Bildband wäre ich auf viele Werke nicht einmal aufmerksam gemacht worden. In einigen Kirchen, wie auch in der Trinitatiskirche von Pfitzingen, lag der Band für Besucher aus, so dass man sich vor Ort über die Entstehungshintergründe informieren kann.

Festschrift zur 100-Jahrfeier der neuen Trinitatis-Kirche Pfitzingen. Sonntag, den 30. November 1958, Bad Mergentheim 1958.
Christa Birkenmaier (Hrsg.): Wolf-Dieter Kohler, 1928-1985. Leben und Werk, Petersberg 2021.

 

tags: Wolf-Dieter Kohler, Württemberg, Fresko, Flammenschwert, Wächterengel
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