1956 hatte Wolf-Dieter Kohler (1928-1985) für die Bartholomäuskirche in Oberboihingen ein Glasfenster mit dem Neuen Jerusalem geschaffen, welches gut angenommen wurde und seine Auftragslage förmlich katapultierte: allein im Jahr 1957 entstanden nicht weniger als fünf Glasfenster für verschiedene Kirchen, die alle das Himmlische Jerusalem zeigen: die Kirche in Heselwangen, die Stuttgarter Leonhardskirche, die Martinskirche in Affalterbach, die Galluskirche in Brenz sowie die Gemeindekirchen in Pfitzingen und in Heidenheim. Kein Künstler hat vor oder nach Kohler in einem Jahr so viele Aufträge zu diesem Thema ausführen können; mit den übrigen Bildmotiven muss man davon ausgehen, dass die Aufträge im Wochentakt eingingen. Kohler hat der Versuchung widerstanden, das Thema in Serie abzuarbeiten, sondern er konnte dem Thema neue, überraschende Einsichten abgewinnen. Dafür ist die evangelische Kirche in Heidenheim an der Brenz am Rande der Schwäbischen Alb ein gutes Beispiel. Diese wurde unter dem Namen Christuskirche für eine Neubausiedlung 1957 erbaut.
Das Fenster mit dem Himmlischen Jerusalem gehört mit drei weiteren Arbeiten zur Darstellung des zweiten Glaubensartikels. Da dieser heute nicht mehr auswendig gekannt wird, hier zur Erinnerung: „Ich glaube an Jesus Christus, Gottes eingeborenen Sohn, unsern Herrn, der empfangen ist durch den Heiligen Geist, geboren von der Jungfrau Maria, gelitten unter Pontius Pilatus, gekreuzigt, gestorben, begraben, eingegangen in das Reich des Todes, am dritten Tag auferstanden von den Toten, aufgefahren in den Himmel; er sitzt zur Rechten Gottes, des allmächtigen Vaters, von dort wird er wiederkommen“.
Kohler zeigt den Auferstandenen, der an seinen Wundmalen zu erkennen ist, neben einer Person, die die Hände vor seine Augen verschränkt: der Jünger und Apostel Thomas. Beide befinden sich im Himmlischen Jerusalem, dessen zwölf goldene Tore um die Figuren gereiht sind. Diese Glasmalerei gehört zu einem kleinen Fenster im linken Seitenraum, neben einem weiteren Fenster mit dem richtenden Christus. Alle acht kleinen Arbeiten wie das Hauptfenster wurden von Kohler entworfen und von der Glasmanufaktur Valentin Saile in Stuttgart hergestellt.
Christa Birkenmaier (Hrsg.): Wolf-Dieter Kohler, 1928-1985. Leben und Werk, Petersberg 2021.