In der historischen evangelischen Dorfkirche von Benningen (bei Marbach am Neckar) wurde Rudolf Yelin (1902-1991) mit der Deckenmalerei beauftragt. Yelin kehrte damit als erfahrener Künstler an eine Kirche zurück, an der vor über einem halben Jahrhundert bereits am Anfang seiner Karriere Arbeiten ausgeführt hatte. Das Motiv des Himmlischen Jerusalem hat er im Laufe der Jahrzehnte öfters dargestellt, erhalten haben sich ca. dreißig Buntglasfenster und zehn Wandgemälde – als Deckenmalerei ist die Ausführung in Benningen einmalig. Deckenmalereien kennt man eher aus dem Barock, in den späteren Zeiten kommen sie lediglich vereinzelt vor – eigentlich sind sie ein besonderer Luxus, denn die Malereien fallen kaum ins Auge, außer man schweift während eines Gottesdienstes gelangweilt umher und kann dann diese Malereien zur Meditation nutzen oder sich an ihnen erfreuen.
Yelin hat die Stadt auf zwölf Tore begrenzt, umgekehrt als oft zuvor: die Rahmung ist jetzt weißlich, die Füllung ockergelb. Ungewöhnlich in der Darstellungstradition ist die Leere, mit der Yelin die Sehgewohnheiten konfrontiert: weder Christus, Bewohner, Engel sind hier versammelt, nicht einmal ein Trinitätssymbol verweist auf die göttliche Präsenz. Man findet allein eine türkisfarbene Fläche, die jedoch nicht so leblos ist, wie es auf den ersten Blick scheinen mag. Es handelt sich nämlich um den Lebensfluss, der von der Mitte der Stadt in alle Himmelsrichtungen fließt. Genau das wird in Benningen gezeigt, lange Flussarme führen von der Stadt über die gesamte Decke bis an den Rand, den Yelin durch ein vor- und zurückspringendes Gipsband in weißer Färbung akzentuiert hat.
Ausgeführt wurden die Arbeiten in mühevoller Glättspachteltechnik natürlich nicht vom bald 70jährigen Meister, der hier einen Unfall erlitt: Bei einer Begutachtung geriet er zwischen die morschen Bretter der Empore und musste abgeseilt werden. Umgesetzt wurden seine Entwürfe von Gehilfen der Akademie und Studierenden seiner Fachklassen, wie Helmuth Kern oder Egon Lustner. Ihre Malerei gehört zu den vielleicht besten malerischen Werken nach Yelin, der hier die gesamte Kirche ab 1967 radikal umbauen ließ: Die Seitenemporen wurden wieder beseitigt und jetzt durch eine größere Querempore ersetzt. Der Chor, erst 1922 ausgemalt worden, wurde völlig neu ausgestaltet. Auch die neue Deckenmalerei hatte ihren Preis, da eine ältere Malerei von ca. 1880 für immer verloren ging, da man die Bohlen 1968 herausgerissen hatte. Gezeigt wurden einst Engel und das Lamm auf dem versiegelten Buch, also eine apokalyptische Thematik, die Yelin zumindest inhaltlich fortführte. 2022/23 erfolgte eine sorgfältige Säuberung und Konservierung der Yelin-Malerei.
Karl Napf: Die Benninger Kirche, in: Schwäbischer Heimatkalender, 118, 2007, S. 25,
Christa Birkenmaier (Hrsg.): Rudolf Yelin d. J., 1902-1991. Leben und Werk, Petersberg 2019.