Rudolf Yelin (1902-1991): Evangelischen Matthäuskirche in Heilbronn-Sontheim (1960)
Rudolf Yelin (1902-1991) setzte auch in den 1960er Jahren seine künstlerische Beschäftigung mit dem Himmlischen Jerusalem fort, das längst zu seinem Haupt- und Lebensthema geworden war. In den 1960er Jahren fertigte er Glasfenster mit diesem Motiv wie am Fließband, jährlich verließen solche Fenster seine Stuttgarter Werkstatt und wurden vor allem in evangelische Kirchen Württembergs eingebaut. Selbstverständlich sind nicht alle Arbeiten neuartig und innovativ, nachweislich wurde an den Künstler immer wieder der Wunsch herangetragen, das Fenster doch ebenso schön zu gestalten wie er es in dieser oder jener Kirche ausgeführt hatte. Waren es in den 1950er Jahren noch Kriegsschäden, die beseitigt werden mussten, so handelt es sich in den 1960er Jahren überwiegend um „Purifizierungen“, wie es euphemistisch heißt: Ohne Notwendigkeit wurden historische Glasarbeiten herausgerissen, und durch „moderne“, zeitgenössische Arbeiten ersetzt. Fast immer wurden bei diesen Purifizierungen die Inneneinrichtung versachlicht und ausgetauscht, Stuckaturen, Ornamente, Malereien wurden abgeschlagen oder überstrichen, alles sollte nüchtern und geradlinig sein, unter dem Vorwand, man könne sich so viel mehr auf das Wesentliche konzentrieren.
Davon betroffen war auch die Matthäuskirche in Sontheim, ein mächtiger Sandsteinbau aus dem Ende des 19. Jahrhunderts. Dort war Pfarrer Theophil Brendle über Jahrzehnte im Dienst und eine Autorität geworden; am Ende seiner Laufbahn verabschiedete er sich mit einer umfassenden Neugestaltung, von der das neue Fenster ein Teil war.
Brendle hatte Yelin schon Mitte der 1950er Jahre in Stuttgart kennen gelernt und wünschte ein ähnliches Bild wie in Dottingen. Tatsächlich gibt es eine generelle Übereinstimmung, mit Ausnahme des Himmlischen Jerusalem. Yelin tendierte inzwischen dazu, die Stadt nicht durch Häuser, sondern durch ihre Tore darzustellen. Dabei ergaben sich immer wieder Unklarheiten in der Zahl, die in der Johannesoffenbarung und auch in der Sakralkunst-Tradition Zwölf beträgt. In Sontheim, wie schon zuvor in Feudenheim, beträgt die Zahl der Tore Dreizehn. Anders als dort sind die Tore in Sontheim nicht so gut zu erkennen, ihre Gestalt ist im Verhältnis zur Höhe des Fensters gering und die äußeren Tore sind durch den Schattenwurf der steinernen Laibung verdunkelt, beträgt aber Dreizehn: vier in brauner, zwei in weißlicher und sieben in goldgelber Farbe.
Einigen Künstler bin ich im Laufe meines Lebens begegnet, Hunderte habe ich schriftlich zu ihren Werken befragt – leider nicht Yelin, was ich sehr bedauere, denn letztlich hätte nur er Auskunft über sein dreizehntoriges Jerusalems geben können.
Wolfram Rudolph (Hrsg.): Festschrift zum 100jährigen Jubiläum der evangelischen Matthäuskirche in Heilbronn-Sontheim, 1899-1999, Heilbronn 1999.
Christa Birkenmaier (Hrsg.): Rudolf Yelin d. J., 1902-1991. Leben und Werk, Petersberg 2019.