Franz Pauli (1927-1970): St. Martin in Meinerzhagen (1966)

Ein großes, quadratisches Jerusalem-Fenster befindet sich im rechten Teil des Chorraumes der römisch-katholischen St. Martinskirche in Meinerzhagen (Sauerland). Diese wurde 1966 nach dem Vorbild der Wallfahrtskirche Notre Dame du Haut von Le Corbusier im französischen Ronchamp erbaut (dort ohne Darstellung des Neuen Jerusalem). Im Gegensatz zu ihrem Vorbild hat diese eindrucksvoll harmonische Kirche wenig Aufmerksamkeit erfahren, vielleicht zu Unrecht? Bei meinem Besuch 2023 stand die Schließung der Kirche angeblich bereits fest. So gut wie immer in solchen Fällen macht sich Vandalismus breit, wovon auch das Himmlische Jerusalem betroffen ist (Steineinschlag an der weißen Scheibe Mitte rechts). Vermutlich bin ich der letzte Kunstinteressierte, der dieses und andere Fenster des Baus im originalen Kontext erleben konnte: Es gab dem Altarraum und speziell dem in unmittelbarer Nähe davor stehenden Tabernakel durch das einfallende, grüngelbe Licht ein feierliches, auch meditatives Gepräge.

Vom Motiv her stellte es in Anlehnung an die Apokalypse das neue, himmlische Jerusalem dar: In der Mitte das Heiligtum, von dort fließen vier Ströme in je eine der vier Himmelsrichtungen; in jede Richtung führt auch eine schwarze Straße durch die Tore. Mit angedeuteten Edelsteinen geziert sind außerdem die runden Türme in der die Stadt umgebenden Mauer. Man findet sie an den vier Ecken, wo farbige Glassteine mehrere Zentimeter auskragen und die erwähnten Edelsteine andeuten. Dazwischen schieben sich rechteckige Blöcke in Türkis als die zwölf Tore der Stadt.

Die leuchtend hellen Farben des Fensters, die die grüne Umgebung durchscheinen lassen, sollen andeuten, dass der Glanz des göttlichen Lichtes über der Stadt Gottes liegt, das heißt, auch über der Gemeinde Gottes im neuen Bund. Entworfen wurde das Fenster von Franz Pauli (1927-1970) im Jahr 1966, angefertigt wurde es laut einer Signatur des Fensters von der Firma Botz und Miesen in Köln. Die Fensterlösung von St. Martin ist im Schaffen des Künstlers vor allem deswegen wichtig, weil Pauli sie mehr und mehr abstrahierte, so nachfolgend in St. Georg in Duisburg-Hamborn (1966) und abschließend in St. Peter und Paul in Bad Driburg (1968).

August Hoff: Glasfenster von Franz Pauli, in: Das Münster. Zeitschrift für christliche Kunst und Kunstwissenschaft Regensburg, 20, 1967 S. 349-352.
Hans Schilling: Neu St. Alban, 1959, Köln, in: Wolfgang Jean Stock (Hrsg.): Architekturführer. Christliche Sakralbauten in Europa seit 1950, München 2005, S. 86-87.

 

tags: Franz Pauli, Sauerland, Profanierung, Glasbrocken
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