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Johann Geiler von Kaysersberg (1445-1510): „Geistliche Schifffahrt“ (1708)

Die Texte des Johann Geiler von Kaysersberg (1445-1510) stießen mit seinen durchaus eigenwilligen Vorstellungen vom Himmlischen Jerusalem vor allem im Barock auf neue Popularität, was wenig verwundert. In der „Geistlichen Schiffahrt“ (Augsburg 1708) wird der sonst gängige Topos des ansteigenden Pilgerwegs zu der hochgelegenen Gottesstadt unterhaltsam variiert als eine stürmische Seefahrt, die nach vielen Gefahren und dem drohenden Untergang der „Seepilger“, im Hafen des Neuen Jerusalem sicher und glücklich endet.

Sonderbar wie die äußere Handlung sind auch viele Einzelheiten, mit denen das Himmlische Jerusalem dem Leser näher gebracht wird. Die Gottesstadt wird zur Stätte der Wollust: „Verlangst du Wollust und Ergötzlichkeiten? So befinden sich selbige in der höchsten Vollkommenheit so vieler subtiler, höher und reiner, als der Verstand über die leiblichen Sinnen (welchen auch das Vieh hat) erhoben ist (…)“. Kaysersberg wird noch genauer, denn er besitzt ein ganz spezielles Wissen von den himmlischen Zuständen der Wollust, des Tanzes und der Speisen: „lauter Oster-Fladen, dann diese werden gemacht aus Milch und Rahm, aus Eyer-Dottern (…)“ usw. Es ist kein Zufall, dass die wortgewaltige Predigt zur Zeit des Barock unter dem illustren Titel „Geistliche Schiffahrt aus Schlaraffen und Welt-Affen-Land oder aus Narragonien zu dem geliebten und gelobten Land nacher Jerusalem: das ist Geistlich-sittliches Buß-schifflein zu dem himmlischen Jerusalem unseren wahren Vatterland“ von Katholiken (man beachte das Wappen der Galeone auf dem Frontispiz!) erneut aufgelegt wurde. Inhaltlich ist es aber ein echtes Phantasieprodukt, das mit der ursprünglichen Schrift Kaysersbergs aus dem frühen sechzehnten Jahrhundert nicht mehr viel gemein hat.

Dietrich Schmidtke: Geistliche Schiffahrt. Zum Thema des Schiffes der Buße im Spätmittelalter, in: Beiträge zur Geschichte der deutschen Sprache und Literatur, 91, 1969, S. 357-385; 92, 1970, S. 115-177.
Mateusz Kapustka: Retoryka homiletyczna w obrazie. Illustracje do ‚Das Schiff des Heils’ Johannesa Geilera von Kaysersberg (wyd. 1512), in: Ewa Chojecka (Hrsg.): Marmur dziejowy = Historical marble: Studia z historii sztuki, Poznań 2002, S. 81-92.
Nine Miedema: Een geestelijke pelgrim op reis, in: Peter M. de Wilde (Bearb.): Op reis met Memoria, Hilversum 2004, S. 107-145.
Rita Voltmer: Wie der Wächter auf dem Turm. Ein Prediger und seine Stadt. Johannes Geiler von Kaysersberg (1445-1510) und Straßburg, Trier 2005.

 

tags: Pilger, Pforte, Kupferstich, Schiff, Pilgerei, Barock
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