Ein spätes Beispiel für einen Seelenturm in der Fassung nach der Zeichnung in Werner Rolevincks (1425-1502) „Fasciculus temporum“ findet sich in der Waldkapelle Saint-Sixte bei Bardonecchia im italienischen Piemont. In der Stadt gibt es nicht weniger als fünfzig religiöse Gebäude: fünf Pfarreien und Dutzende großer und kleiner Kapellen, die über den Berg auf bis zu 3000 Meter verstreut liegen. Inmitten der Felder, die sich von Melezet bis zum Col de la Scala erstrecken, steht isoliert die romanische Kapelle des Heiligen Sixtus, die außen und innen mit Fresken bedeckt ist.
Die Fresken im Inneren entstanden durch zwei im Stil sehr unterschiedliche Künstler, um 1573 wurde das Weltgericht an der Fassade hinzugefügt.
Die Anlage der Architektur ist ähnlich wie bei Rolevinck ausgeführt. Aufgrund des wesentlich größeren Raumes eines Wandgemäldes war es möglich, hier weitaus mehr Gerettete darzustellen. Im unteren Bereich, der leider verloren gegangen ist, wird sich ebenfalls Petrus befunden haben, wie er mehrere Gerettete in die Himmelspforte einlässt. Rechts sind Engel beigefügt, die die Posaune blasen und den Auferstandenen aus den Gräbern helfen. Die Flagge, die etwa in der Mitte des Bildes zu finden ist, ist nicht etwa eine frühe Darstellung der österreichischen Nationalflagge, sondern bezieht sich auf das damals neugegründete Herzogtum Savoyen, zu dem die Region damals gehörte.
Gabrielle Sentis: L’art en briançonnais, 1: La peinture au XVè, Grenoble 1970.
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