Barbara Haeger (1919-2004): Fassadenschmuck an der Christuskirche Hamburg-Wandsbek (1954)
Die evangelisch-lutherische Christuskirche in Wandsbek liegt direkt am mehrspurigen autobahnähnlichen Innenstadtring, mit problematischen Auswirkungen: Das Gebäude ist fast nur unter Lebensgefahr zu besuchen, die Lärmbelästigung ist extrem, die verschmutzte Luft greift das Kunstwerk an der Westfassade an, um das es hier geht: ein Wandfresko des Himmlischen Jerusalem. An diesem Ort wurde schon verschiedenes ausprobiert, inzwischen ist es bereits vierte Kirchenbau, der diesmal nach einem Entwurf des Architektenbüros Hopp & Jäger 1953/54 aufgezogen wurde. Die materialsparende Leichtbauweise jeder Jahre lässt absehen, dass es dieses Kunstwerk bald nicht mehr geben wird, zumindest nicht mehr unter den jetzigen Bedingungen an diesem Standort. Auch sieht es so aus, dass die Statik des Baus gar nicht auf die schweren Platten ausgerichtet war, diese also ursprünglich gar nicht vorgesehen waren. Doch dazu später mehr.
Das Kunstwerk „Das himmlische Jerusalem“ der Fassade strahlt wenig Lebensfreude oder Zuversicht aus, sondern es ist eine typische Ausführung im Beton-Hallelujah der Nachkriegszeit. Ungewöhnlich war damals, dass es von einer Frau gestaltet wurde: Barbara Haeger (1919-2004), die es 1954 fertigstellte. Es dürfte eines der ersten großen Kunstwerke Hamburgs im öffentlichen Raum sein, das von einer Frau geschaffen wurde.
Barbara Haeger stammt aus Schlesien. Sie studierte von 1938 bis 1949 Bildhauerei erst an der Städelschule in Frankfurt am Main, dann an der Akademie Dresden, schließlich an der Akademie Berlin – alles Einrichtungen, die damals längst kritiklos der Moderne verpflichtet waren. Anschließend führte sie ihr Atelier zunächst in Hamburg, später in Paris, schließlich in New York, bis sie 1980 wieder an die Hansestadt zurück kehrte. Ihr Werk an der Christuskirche ist eine ihrer ersten großen Reliefarbeiten, vielleicht einer ihrer ersten Aufträge überhaupt, zumal wenn man bedenkt, dass die Auftragsvergabe sicherlich vor Grundsteinlegung 1953 erfolgte.
Die Fassade ist dreiteilig gegliedert: Unten befinden sich Betonkirchenfenster, darüber ein Erker mit drei Fenstern und wiederum darüber ein Betonfries, der auf eine unverputzte Ziegelwand montiert wurde (Es ist kaum möglich, dieses Werk ohne die furchteinflößenden Peitschenleuchten aufzunehmen, die hier überall herumstehen).
Mehrere Betonplatten schieben sich in einem Band von dem erwähnten Erker aus nach oben bis an den Dachfirst. Viele der Platten sind glatt geschliffen, einige besitzen Profilrillen. Man kann in diesen Platten den schematischen Wiederaufbau Hamburgs als „alte Welt“ sehen, wovon sich das Neue Jerusalem abgrenzt: Unten links sind zahlreiche rechtechige Tore eingeabeitet, die sich teilweise überlagern, ineinander verschoben und verschachtelt sind. Farblich heben sie sich nicht von den Platten ab; durch den Ruß und andere Umweltbelastungen wirkt der Beton verrottet und blättert an verschiedenen Stellen ab. Hinzu kommt, dass manche Stücke auch absichtlich von einer Montagefirma herausgebrochen werden mussten, da das Werk die Sicherheit gefährdet (wird behauptet, selbstverständlich auch von der Firma). Zeitweise war der untere Teil mit Efeu bewachsen, was inzwischen wieder rückgängig gemacht wurde. Lebensfreude, Zuversicht, Erlösungshoffnung strahlt dieses Werk kaum aus, mir wurde aber versichert, dass das Relief durch die wandernde Sonne an der Südseite immer wieder anders aussehen würde, worin man unterschiedliche Sichtweisen auf das Neue Jerusalem hineininterpretieren kann.
Heute steht die Gemeine vor schweren Entscheidungen: Allein die Restaurierung der Platten würde nach Kostenvoranschlag über eine Million Euro kosten, die tatsächlichen Kosten werden vermutlich höher sein, möglicherweise sind Verstärkungen an der Statik notwendig. Das Denkmalamt würde nur einen Teil der Kosten übernehmen, den größeren Teil hat die Gemeinde aus eigenen Mitteln zu bestreiten – es sei, denn, sie spricht sich gegen den Erhalt aus. Als das Kunstwerk ursprünglich an die Fassade kam, gab es keinen Diskurs und die Gemeinde wurde nicht gefragt: die Kirchenoberen entschieden damals. Heute ist die Situation anders, die Kirchen (zumal die evangelische) präsentiert sich basisdemokratisch. Daher erlaube ich mir auch eine Empfehlung, wie man verfahren könnte:
Das Kunstwerk wird abgerissen, die eingesparten Gelder müssen in Personal und Kernaufgaben der Kirchen investiert werden, in der Hoffnung, dass daraus wieder starke Gemeinden erwachsen, die sich teure Kunstwerke leisten können. Vor dem Abriss wird ein Sommerfest mit Gottesdienst und Vorträgen veranstaltet, um sich würdig von dem Kunstwerk zu verabschieden – alles zu finanzieren aus den gesparten Geldern. Bei der neuen Fassade wird dann auf das ehemalige Kunstwerk Bezug genommen, indem die Umrisse mit goldener Farbe nachgezeichnet werden – die Platten in hellem Beige (in Anlehnung an den Beton), die zwölf Tore Jerusalems in einem dunklen, aber vornehmen Goldton. Gleichzeitig sollte eine Tafel daran erinnern, dass dieser Ort mit seinen drei Vorgängerkirchen immer ein Ort des Neubeginns war und der Wandel das eigentlich Bleibende ist: „Denn was sichtbar ist, das ist zeitlich; was aber unsichtbar ist, das ist ewig.“
Heinz Zabel: Plastische Kunst in Hamburg – Skulpturen und Plastiken im öffentlichen Raum, Reinbek 1986.
Georg Soeffner, Hans-Christian Knuth, Cornelius Nissle: Dächer der Hoffnung. Kirchenbau in Hamburg zwischen 1950 und 1970, Hamburg 1995.
Helmuth Barth, Manfred F. Fischer, Irina von Jagow, Lars Quadejacob: Hamburgs unbekannte Kulturdenkmäler, Hamburg 1997.
Helmuth Fricke, Michael Pommerening, Richard Hölck: Die Kirchen am Wandsbeker Markt, Hamburg 2002.
Karin Berkemann: Baukunst von morgen! Hamburgs Kirchen der Nachkriegszeit, hrsg. vom Denkmalschutzamt Hamburg, München 2007.
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