Jan Mostaert (um 1474-1552/53): Triptychon mit dem Jüngstem Gericht sowie Porträts der Familie Noordwijk (um 1514)
Das Triptychon mit dem Jüngstem Gericht sowie Porträts der Familie Noordwijk ist in Bezug auf das Himmlische Jerusalem eine der interessantesten Tafelmalereien am Übergang vom Spätmittelalter zur Renaissance. Es war eine Zeit der Experimente und der Extreme, die alten Sicherheiten galten nicht mehr und etwas Neues hatte sich noch nicht herausgebildet, so dass Freiräume entstehen konnten. Das Triptychon stammt von Jan Mostaert als Auftragsarbeit der Familie Noordwijk, vermutlich für ihre Grablege in einem Dominikanerkloster in Haarlem. Heute befindet es sich in der Ständigen Sammlung des Rheinischen Landesmuseums in Bonn.
Jan Mostaert (um 1474-1552/53) begründete eine Dynastie von Malern, auch sein Sohn Gillis Mostaert (1528-1598) ergriff wieder diesen Beruf. Die Familie hatte sich auf Porträts und Altarbilder spezialisiert und führte ihre Werkstatt in Haarlem, dem Geburtsort von Jan Mostaert. Mostaert wird heute als geschickter, aber eher konservativer Altar- und Andachtsmaler eingeschätzt, knapp dreißig Ölmalereien sind ihm sicher zugewiesen. Vermutlich war sein Werk für die Familie Noordwijk der erste große Auftrag, denn aus der Zeit zuvor kennt man allein ein Porträt von Jacob Jansz van der Meer von circa 1505. Sein Weltgericht setzte neue Impulse, ein ähnlicher Bildaufbau lässt sich auf dem Weltgerichtsaltar von Jan Provoost 1525-1529 finden oder bei dem Triptychon des Jean Bellegambe von um 1525.
Für das Neue Jerusalem interessiert der linke Seitenflügel (115 x 35 Zentimeter) und das Hauptteil (109 x 71 Zentimeter). Dort erscheint Christus Pantokrator über zahlreichen Menschen, die entweder nach links in das Neue Jerusalem oder rechts in die Hölle dürfen bzw. müssen. Nach Jerusalem führt zunächst eine schmale Bogenbrücke, die gerade von einer nackten Person betreten wird, direkt über dem Haupt der linksseitigen Stifterin. Hinter der Brücke setzt bereits die Stadtmauer an, hier leicht abfallend und etwas ruinös oder verfallen.
Die Mauer setzt sich nun im angrenzenden Seitenflügel fort, den sie auf ganzer Länge durchzieht und nur von der betenden Marienfigur unterbrochen wird. Zunächst erscheint rechts eine unauffällige „enge“ Pforte. Manche denken an die Paradiespforte, jedoch ist es (nach dem Endgericht) eine Himmelspforte in das Neue Jerusalem. Daher wird hier auch niemand verstoßen, sondern im Gegenteil ein alter Mann von einem Engel hineingeleitet. Dieser Mann referiert Adam, mit dessen Aufnahme die einstige Verdammnis der Menschheit beendet ist. Links finden sich weitere Mauerpartien, allesamt flächig und ungeschmückt. Auf einer Mauer stolziert ein Pfau, aus einem Ausschau blickt eine menschliche Figur heraus. Interessanter ist, was sich darüber in den himmlische Gefilden ereignet. Menschen haben sich zu einem Picknick im Freien versammelt, ein Engel spielt die Laute dazu. Einer der Nudisten ist eindeutig ein Mönch, der sich entspannt an eine im Gras liegende Person schmiegt. Zwei weitere Nackte, von denen vor allem die Hintern auffallen, stolzieren oben rechts, und was weiter darüber eine männliche Person mit zwei weiteren im Gebüsch treibt, kann und soll man gar nicht mehr erkennen. So freizügig geht es in keinem anderen mir bekannten Himmlischem Jerusalem zu; Jan Mostaert lässt seinen Fantasien freien Lauf und spielt auch mit den offenen oder verstecken Erwartungen seiner Betrachter.
Max J. Friedländer: Von van Eyck bis Bruegel. Die frühen niederländischen Maler. Studien zur Geschichte der niederländischen Malerei, Köln 1956.
K. G. Boon: Geertgen tot Sint Jans of Mostaert, in: Oud Holland, 81, 1966, S. 61-72.
Charles D. Cuttler: Errata in Netherlandish art. Jan Mostaert’s ‚New World‘ landscape‘, in: Simiolus: Netherlands Quarterly for the History of Art, 19, 1989, S. 191-197.
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