Lies Ebinger (1926-2020) und Heinz Ebinger: Das Neue Jerusalem aus der „Arche“ in Nieder-Ramstadt (1982)

Das Haus „Arche“ ist ein Gebäude der Nieder-Ramstädter Diakonie unweit von Darmstadt am Fuß des Odenwalds. Das Haus war ursprünglich, worauf noch der Name hindeutet, als Wohnheim für Menschen mit Behinderung errichtet worden, später wurde es zu einem Verwaltungsbau der Diakonie umgebaut. Auf den verschiedenen Stockwerken sind in den Flügeln jeweils wandhohe Keramiktafeln angebracht. Die Tafeln sind auf einer Betonplatte eingearbeitet, die fest mit der Wand verbunden ist, aber nicht selbst trägt. Sie thematisieren die sieben Schöpfungstage, dazu vier weitere biblische Geschichten. Im September 1982 waren sie zur Eröffnung der „Arche“ fertiggestellt.
Das neunte Bild im dritten Stockwerk, wo das Rechnungswesen untergebracht ist, zeigt die Darstellung des Himmlischen Jerusalem. Diese Tafel besteht aus zwei Teilen.

Links wird ein Dutzend Bauten gezeigt, genaugenommen elf Kuppelbauten. Es sind schlichte Turmbauten, überwiegend mit einem gelben Schaft und einer rotorangen Kuppel. Vom zwölften Turm ist entweder oben links nur die untere Hälfte zu sehen, oder er wurde bewusst weggelassen, um anzudeuten, dass die Stadt mit menschlichen Gedanken nicht vorstellbar oder darstellbar ist, sondern eine göttliche Schöpfung nach anderen Gesetzen. Einige der Bauten sind spiegelglatt poliert, andere haben eine Profilierung, die jeden einzelnen Mauerstein andeutet. Ein blaues Band zieht sich von links nach rechts durch die Stadt, vielleicht der Lebensfluss. Unten sind an vier Toren Bänder zu entdecken. Entweder ist es erneut Wasser, diesmal in Form der vier Paradiesströme, oder es sind Pilgerwege, die zu den Toren in die Stadt führen.

Die rechte Tafel zeigt einen Baum mit runden Früchten. Es ist der Baum des Lebens. Auch hier ist die Zwölfzahl nicht wie in der Johannesoffenbarung mit zwölf Früchten erreicht, sondern mit der Hälfte – vielleicht muss man sich an der gegenüber liegenden Seite einen ebensolchen Baum mit weiteren sechs Früchten vorstellen?
Geschaffen wurde diese wie auch die übrigen Tafeln von dem Künstlerehepaar Lies Ebinger (1926-2020) und Heinz Ebinger aus Bad Ems. Diese hatten bereits einen Kontakt zu den Anstalten, denn im Haus Bodelschwingh, dem Hauptsitz der Diakonie, befanden sich bereits kleiner, ältere Werke der Künstler.
Die Tage dieses Neuen Jerusalem sind gezählt, denn es steht fest: „Im Zuge der Entwicklung des inklusiven Wohngebiets am Dornberg werden anstelle des Arche-Gebäudes Mehrfamilienhäuser entstehen“. Was mit den Keramiktafeln dann passieren wird, ist ungewiss, unter Denkmalschutz stehen sie nicht. Es gibt Bestrebungen, sie zu erhalten und an anderer Stelle einzubauen. Ob dann aber tatsächlich der finanzielle Mehraufwand für ein kostspieliges Ausbauen (technisch durchaus möglich, aber nur von Spezialfirmen mit Erfahrung auf dem Gebiet des Bergens archäologischer Güter) aufgebracht wird, ist fraglich. Ich habe den Weg jedenfalls keinesfalls bereut, die exzellent erhaltenen Bildtafeln noch einmal im Originalkontext erleben zu können.

25 Jahre Baukeramik: Lies und Heinz Ebinger, Bad Ems, Beuron 1987.
Brigitte Walz-Kelbel: Von der Anstalt zum modernen Dienstleister. Zur Entwicklung der Nieder-Ramstädter Diakonie, in: Gemeinwesendiakonie und Unternehmensdiakonie, Münster 2019, S. 117-128.
Beate Braner-Möhl: Kunst in der Arche. Bildbetrachtungen, Mühltal 2021.

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tags: Diakonie, Keramik, Behinderte, Hessen
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