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Parament aus der evangelischen Kirche in Kleinglattbach (um 1960)

Als Vahingen anwuchs, Heimatvertriebene hinzuzogen, erste Gastarbeiter eintrafen und das Wirtschaftswunder einsetzte, wurde in dem angrenzenden Ort Kleinglattbach eine evangelische Kirche fertiggestellt. Das war im Jahr 1959. In den folgenden Jahren wurden dort die für den Altarbereich benötigten Paramente erworben. Aus Unterlagen der Gemeinde geht lediglich hervor, dass mehrere solcher Werke, die von der gleichen Werkstatt stammen, zwischen 1959 und 1964 angekauft wurden. Nicht bekannt ist, wer dazu den Entwurf lieferte und wo sie hergestellt wurden. Fast alle evangelischen Gemeinden der Württembergischen Landeskirche bezogen damals ihre Liturgica von der Paramentenwerkstatt Stuttgart. Da die Werke dort meist einige Zeit auslagen, bis sie verkauft wurden, halte ich eine Entstehungsangabe „um 1960“ für realistisch.
Es ist keine Selbstverständlichkeit, dass ein derart altes Parament heute noch in Gebrauch ist. Meist geht ihr Gebrauch nicht über dreißig Jahre hinaus, dann hat sich der Kunstgeschmack geändert, das Parament ist inzwischen verdreckt, eine (fachgerechte) Reinigung kostet meist mehr als eine Neueinschaffung, das Textil wird entsorgt. Im Fall von Kleinglattbach ist es vermutlich das weltweit älteste Parament mit einer Darstellung des Neuen Jerusalem; allein eine Arbeit von Kurt Wolff aus Essen-Kray kommt auf ein ähnliches Alter, ist aber seit Jahren nicht mehr im Gebrauch. Anders in Kleinglattbach: Hier schmückt es als „weißes Parament“ den Altarbereich an den Festtagen zu Weihnachten, zur Osterzeit sowie am Michaelis- und Johannistag.

Ein Detail am Rande: Auf dem Fenster hinter dem Altar wird auf einem Buntglasfenster von Wolf-Dieter Kohler ebenfalls das Neue Jerusalem gezeigt, so dass das Motiv zu den genannten Zeiten zweifach zu sehen ist.
Die Darstellung ist eine typisch für ihre Zeit: Reduktion auf wenige Bildelemente, zurückhaltende Farbgebung, monochrome Färbung der einzelnen Bildelemente, symmetrischer Bildaufbau. Durchaus originell ist folgende zugrundeliegende Idee: Die Kirche ist durch ein graues, zweitürmiges Bauwerk in der Mitte präsent. Dieser Bau ruht auf einem Schiff, welches die Arche Noah symbolisiert (die Arche ist eines ein Vorläufersymbole aus dem Alten Testament zu dem Himmlischen Jerusalem im Neuen Testament, beides sind Rettungsutopien). Ganz unten ist Wasser angedeutet, es ist zugleich der Lebensfluss wie auch das Meer, auf dem die Arche schwimmt. Mit dem oberen Bereich ist der Kirchenbau durch ein mächtiges rotes Kreuz verbunden. Dort reihen sich zwölf Tore in künstlerisch überzeugender Darstellung aneinander: Sie sind wechselweise etwas höher und niedriger gesetzt, ebenso zeigt ihre Dachschräge manchmal nach links, manchmal nach rechts.

Gabriele Bartsch: ‚Vom Schmuck der heiligen Orte‘. Die Paramentenwerkstatt Stuttgart, in: Cornelia Kaiser (Hrsg.): Heimlich, still und fleissig?Frauenarbeit in der Region Stuttgart seit dem 18. Jahrhundert, Tübingen 1985, S. 136-146.
Kurt Rampmaier: Kleinglattbach im 20. Jahrhundert, (Vaihingen) 2004.
Otto-Heinrich Elias: Bausteine zu einer Kirchengeschichte von Kleinglattbach: Festschrift anlässlich des 50-jährigen Bestehens der Christuskirche, Vaihingen 2009 (2).

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tags: Württemberg, Antependium, Nachkriegskunst
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