Josef Michael Neustifter (geb. 1949): Stele „Werke der Barmherzigkeit“ in Oberroth (2003)

Auf dem kleinen Friedhof vor der römisch-katholischen Kirche St. Peter und Paul in Oberroth bei Dachau (Niederbayern) wurde eine Stele aus Bronze im Freien erreichtet, auf einem steinernen Sockel aus Granit. Sie hat keine liturgische oder utilitaristische Funktion, sondern steht ganz für sich, zur Freude für fromme Besucher oder Kunstfreunde.
Gezeigt werden auf der Säule in Form einer Schriftrolle die Werke der Barmherzigkeit. Sie zeigen die bekannten Szenen aus dem Leben und Wirken von Christus, aber stets mit Bezügen zur modernen Zeit. Die Werke stehen mit dem Himmlischen Jerusalem insofern in Verbindung, als dass denjenigen, die Barmherzigkeit ausüben, das Himmelsreich versprochen wird. Aus diesem Grund ist auf der Stele ganz oben die offene Himmelspforte eingesetzt, überragt nur noch von Bögen, die an eine Krone erinnern, und dem lateinischen Kreuz. Die Bögen sind übrigens ein Art Charakteristikum auch anderer Arbeiten des Künstlers, etwa des Guntherbrunnens in Niederalteich oder des Michael Sailer Brunnens in Barbing.

Bei der Pforte sind zwei ionische Säulen angedeutet. Auf dem Fundament sitzt einer der Barmherzigen, der gerade das Brot bricht, um es zwei Hungerleidenden an seinen Seiten zu reichen. Sicher geht es dabei weniger um „Brot“, sondern es ist ein Appell an Großzügigkeit und Solidarität, der sich auch an die Kirche selbst richten sollte, gerade wenn man sich vor Augen führt, dass solche Kunstwerke immer in einem Konkurrenzverhältnis zu karitativen Aufgaben steht.
Arbeiten dieser Größe sind in der Sakralkunst selten geworden und heute kaum mehr zu finanzieren, außer vielleicht in großen Wallfahrts- oder Bistumskirchen. Die selbstbewusst wirkende Stele verdankt sich der beharrlichen Initiative des Religionslehrers Werner Kellermann, der gleichzeitig in Oberroth als Pfarrer wirkte, und zahlreichen Spenden, die durch Bazare und Kollekten zustande kamen, überraschend schnell, zumal der ausgesuchte Künstler auf ein Drittel seines Honorars verzichtete. Die Wahl war auf Josef Michael Neustifter (geb. 1949) gefallen, der das Werk in seinem Atelier in Eggenfelden über das Jahr 2003 entwarf und herstellte, als Goldbronze mit Anteilen von Zinn, Zink und Kupfer, was zusammen eine seidene Brillanz hervorruft. Am 6. Juni 2004 wurde das Kunstwerk vor Ort feierlich eingeweiht, unmittelbar vor einem schweren Brand im Atelier des Künstlers. Seitens Neustifters wurde der Arbeit der vollständige Titel „Säule mit der Darstellung der Sieben Leiblichen Barmherzigkeiten“ gegeben.

Ulrich Hommes: Joseph Michael Neustifter, das bildhauerische Werk, Regensburg 2002.
Barmherzigkeit in Bronze verewigt, in: Dachauer Nachrichten, 3.6.2004 und 11.6.2004.
Renate Zauscher: Säule als Trost und Wegweiser, Dachauer Sonntagszeitung, 12./13.6.2004.

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tags: Stele, Bronze, Niederbayern, Friedhof, Pforte
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