Esther Frye (1914-2011): „Life’s Railway to Heaven“ und „John on Patmos“ (um 2000)
Esther Frye (1914-2011) aus Stanton (Michigan) war eine US-amerikanische Malerin und Zeichnerin. Diese hatte unter schwierigen wirtschaftlichen Bedingungen Privatunterricht in Malerei bei dem Erfinder der Schwarzlichtkreide, Dr. Karl Steele, genommen und später an dem John Herron Art Institute studiert. Anschließend unterrichtete sie selbst Kalkmalerei am Advanced Training Institute International und am National Fellowship of Christian Artists. Ihre Werke entstanden im Rahmen öffentlicher Vorträge in Schulen, Kirchen und Gefängnisse. Über 50 Jahre kam es so zu zahlreichen Arbeiten, Esther Frye wurde eine bekannte Vertreterin der der Prophetic art.
Auch die Apokalypse wurde als Thema aufgegriffen, so bei der Kalkmalerei „Life’s Railway to Heaven“ (um 2000). Hier kontrastiert die moderne Welt in Form einer Dampfeisenbahn über einem Aquädukt unten die jahrtausendalte Hoffnungsutopie oben. Jerusalem erscheint in den Wolken, mit einer hell glänzenden Zentralkuppel und weiteren Bauten, Mauern und Bäumen, die in dem gleißenden Licht kaum zu erkennen sind. Im Prinzip klingt das Zweiwege-Motiv an: Schnell und bequem geht es dem Abgrund entgegen, der Weg nach oben hingegen ist langwierig und mühsam.
Des Weiteren malte Frye um das Jahr 2000 zwei Varianten von „John on Patmos“. Bei den Bildern handelt es sich ebenso um Kalkmalereien, basierend auf verschiedenen Türkis- und Blautönen. Links ist auf einer Fassung zunächst der Seher Johannes dargestellt. Daher hat das Werk auch den Titel „John on Patmos“. Es zeigt, wie er gerade die Vision der niederkommenden Stadt erblickt, die sich als gleißende Lichterscheinung in die Berge einfügt und keine Einzelheiten erkennen lässt. Seine Hände vermitteln gekonnt dieses Erstaunen. Direkt vor ihm erscheint zwischen gelben Wolken (oder Felsen?) eine weiße Formation. Es könnte ein einzelnes Haus mit einem goldenen Eingang und einer Kuppel sein, oder auch ein quadratischer Kubus mit einem goldenen Zugangstor unter einer Gloriole.
Bei einer Variante (rechts), die ebenfalls den Titel „John on Patmos“ trägt, ist Jerusalem deutlich als Stadt wiedergegeben, mit einer langen Mauer und einem zentralen Eingangstor. Vor ihr erscheint Christus (von der Künstlerin in einem Schreiben vom 12. Juni 2001 so bestätigt), der von jeweils fünf Engeln mit Posaunen umgeben ist. Während die erste Fassung von „John on Patmos“ die intime Erscheinung eines Individuums thematisiert, ist die zweite Fassung als Weltgericht an alle Menschen adressiert. Beides belegt, wie unterschiedlich die Künstlerin das gleiche Thema in Kalk bearbeiten konnte. Sie selbst führte dazu aus: „Beide Bilder entstanden auf Wunsch zur Illustration einer Sonntagsschule in Kirchen der Baptisten. Mir war wichtig zu zeigen, dass die Botschaft seit zweitausend Jahren unverändert gilt, in Israel damals genauso wie in den USA heute. Von daher werden Sie in meinen Malereien biblischer Themen auch immer moderne Anklänge unserer Zeit finden. (…) Die Kreidemalerei verbietet allzu viele Details, sondern man muss sich auf das Wesentliche konzentrieren, wenn man in kurzer Zeit etwas auf Papier bringen möchte. Keine der Arbeiten hat länger als eine halbe Stunde in Anspruch genommen (…). Es sind nicht allein Bilder von Esther Frye, sondern an erster Stelle Werke vom göttlichen Geist inspiriert, entstanden unter Gebet, Gesang und Kirchenmusik. Viele Inspirationen, die fromme Besucher spontan äußerten, habe ich hier verewigt. So sprach jemand vom ‚Railway to Hell“, in dem die Fahrt so bequem sei, man sieht daher keine Gefahr, keine Besorgnis, keinen Untergang, und dennoch sollte deutlich werden, wohin diese Fahrt geht“.
Die drei Arbeiten sind nicht datiert und sollen um die Jahrtausendwende entstanden sein. Diese und andere Gemälde Fryes wurden oft in US-amerikanischen Kirchen öffentlich ausgestellt und sogar in Predigten thematisiert. Noch 2011 waren alle drei Werke im Privatbesitz der Künstlerin und gehören damit zu ihrem künstlerischen Nachlass.