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Wolfgang E. Fentsch (1925-1968): Weltgericht aus der Erlöserkirche in Lettmecke (1954)

Der Radius der Glasarbeiten von Wolfgang E. Fentsch (1925-1968) ist überschaubar, man findet seine Arbeiten im Umkreis des Sauerlands: Herscheid, Altenhundem, und zwei Mal in Plettenberg. Es handelt sich meist um kleinere, bereits bestehende evangelische Kirchen. Die Fenster sind alle im Laufe der 1950er Jahre entstanden. Fentsch hatte sein Atelier in Velbert. Er besaß dort aber keine eigene Gießerei, sondern arbeitete mit Heinrich Wilhelm Brand aus Wuppertal-Elberfeld zusammen. So war es auch der Fall für neue Glasfenster für die evangelische Erlöserkirche in Lettmecke. Dort hat Fentsch etwas ganz besonderes ausgeführt: ein mittelalterliches Weltgericht.

Das großformatige Fenster über drei Bahnen befindet sich im linksseitigen Chorbereich. Hier entstand es zeitgleich mit der 1954 geweihten Kirche. Fentsch bietet auf diesem Fenster alle Elemente, die man auf einem spätmittelalterlichen Weltgericht erwarten kann: Oben links findet man Maria, in der Mitte Christus Pantokrator, rechts Johannes den Täufer. Unten sind es links eine Himmelpforte, in der Mitte der Erzengel Michael Seelenwäger und rechts die Hölle. Alle diese genannten Bildelemente finden sich auf verschiedenen Weltgerichten des Mittelalters, sei es auf Miniaturen mittelalterlicher Handschriften, sei es auf Fresken in Kirchen. Da ich die überwiegende Zahl dieser Weltgerichte nicht nur von Fotos, sondern meist im Original kenne, kann ich bestätigen, dass es sich nicht um die Wiedergabe eines konkreten historischen Weltgerichts handelt, sondern dass Fentsch seine Bildelemente aus ganz verschiedenen Weltgerichten individuell zusammenstellte. Es bliebe allein noch die Möglichkeit, dass Fentsch vor den Kriegszerstörungen irgendein wenig bekannteres Weltgericht, vielleicht in einer Sauerlandkirche, hier kopiert hat. Die wäre möglich, aber unwahrscheinlich, denkt man an die geringen Kriegszerstörungen dieser Region und an die noch geringere Zahl an Kirchen, die hier noch mittelalterliche Fresken besitzen.
Ich vertrete eine andere These: Fentsch wollte bewusst ein Weltgericht zeigen, das sich zwar mittelalterlicher Bildelemente bedient, aber doch als Werk seiner Zeit erkennbar sein sollte. Einige Beispiele oder Argumente dafür: In der Hölle finden wir kein Monster, sondern einen Teufel in Menschengestalt (sogar mit rotem Heiligenschein) – unmittelalterlich! Christus thront gewöhnlich auf einem Regenbogen, hier aber auf einem Zackenband (vermutlich ein Thron) mit expressiven Anklängen – unmittelalterlich! Der Papst ist hier in der Hölle zu finden – eher unmittelalterlich! Maria und Johannes stehen nicht aufrecht, sondern knien nieder – unmittelalterlich! Die Beispiele können auch für das Himmlische Jerusalem, hier als Pforte dargestellt, fortgesetzt werden. So findet man am Tor keine gotische, sondern eine ionische Säule. Die Geretteten bewegen sich auch nicht Richtung Pforte, sondern, als würden sie den Weg nicht finden, in die entgegengesetzte Richtung. Schließlich: Im Mittelalter wären diese Personen als Vertreter der Stände gekennzeichnet worden. Allein in ihrer Bescheidenheit ist die Pforte typisch für eine mittelalterliche Darstellungsweise. Die wenigen Quaderblöcke, die hier stellvertretend die Architektur der Pforte andeuten sollen, kennt man etwa vom Bottenbroicher Weltgericht (1533).
Kurioses am Rande: die Glasmanufaktur Brand hat auf dem Lettmecker Weltgerichtsfenster sogar ihre Telefonnummer verewigt – man wüsste gerne, wie viele sich daraufhin gemeldet haben.

Dieter Wenhake: Festschrift zum 50-jährigen Jubiläum: evangelische Kirchengemeinde Plettenberg, Pfarrbezirk Oestertal, Plettenberg 2004.

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tags: Sauerland, NRW, Weltgericht, Seelenwaage, Kopie, Teufel
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