Der Heidelberger Glaskünstler Harry MacLean (1908-1994) hatte 1951 bis 1959 zehn Fenster zu Themen aus der Offenbarung des Johannes für eine Kirche in Baden-Baden entworfen. Diese Spitalkirche gehörte den Altkatholiken. Kurz darauf kam es wieder zum Ausbau einer großen Innenstadtkirche Seitens der Altkatholiken: die Friedenskirche in der Altstadt von Essen im Ruhrgebiet. Hier war die Ausgangslage anders, dementsprechend entwickelte Harry MacLean auch eine andere Lösung als in der Spitalkirche Der Kirchenbau steht unter Denkmalschutz und befindet sich an prominentem Ort gegenüber der Synagoge und des Rathauses der Ruhrmetropole. Im Gegensatz zu der mittelalterlichen Kirche in Baden-Baden war die Friedenskirche als Jugendstilbau von Beginn an für die Altkatholiken vorgesehen gewesen. 1962 kam es zur Beseitigung der vier zentralen Fenster im Jugendstil, die den Krieg überlebt hatten und die man hätte restaurieren können, anschließend wurden 1963 die neuen Fenster eingesetzt. In den 1960er Jahren gab es wenig Verständnis für historische Bausubstanz, aus heutiger Perspektive muss man dankbar sein, dass es nicht zum Abriss des kriegsbeschädigten Bauwerks kam. MacLeans Idee war, für jede der vier Fensterbahnen einen der Evangelisten vorzusehen, der Reihe nach sind es Matthäus, Markus, Lukas und Johannes. Die Evangelisten sind unten im Sockelbereich mit ihren Symbolen wiedergegeben, wie sie in der Apokalypse genannt sind – schon hier findet man also einen Bezug zur Johannesoffenbarung. Der Sockelbereich ist übrigens in einem Blau gehalten, das MacLean vom Grundton der Fenster von Jan Thorn Prikker im Vorraum übernommen haben soll. Für unser Thema ist vor allem der obere Abschluss der Fenster entscheidend. MacLean hat dort schräge Linien gesetzt, die sich überschneiden und mit ihren Spitzen nach oben zeigen, eine Dachlandschaft entsteht. Dazwischen wurden immer wieder als Rundbögen die Tore der Stadt gesetzt. Sie fallen auf, da sie jeweils mit einer Farbe gefüllt sind und sich vom grüngelben, hellen Hintergrund abheben. Viele Bögen sind vollständig durchgeformt, andere nur ansatzweise angedeutet. Die Tore der vier Fenster übersteigt die Zahl zwölf, die hier keine Rolle spielt, ebenso wenig wie das das Quadrat, Perlen oder andere figürliche Merkmale der heiligen Stadt.
Die Fenster von MacLean kamen gut an, zumal sie sich harmonisch in die vorhandene Substanz einfügten. Als es 2006 zu einer Diskussion kam, ob man nicht wieder die alten Fenster von Jan Thorn Prikker einbauen sollte, wurde der besondere Wert der vier Evangelienfenster hervorgehoben. Die Gemeinde unter Pfarrer Ingo Reimer beschloss daher, sie langfristig zu erhalten. Gleichzeitig wurden Rekonstruktionen vorgenommen, die den Bau wieder an den Jugendstil anlehnten. So gelang es, die originale Deckenmalerei, ein geometrisches Muster im Übergang zum Art déco originalgetreu wiederherzustellen. Zufälligerweise passte die neue, alte Decke hervorragend zu der Farbgebung und Kleinteiligkeit der Fenster, die ja alle im oberen Bereich eine geometrische Musterung zeigen. Diese befindet sich etwa auf der Höhe, wo die Deckenmalerei einsetzt, wodurch der Eindruck entsteht, die Decke würde vom Himmlischen Jerusalem getragen.
Heinz Dohmen, Eckhard Sons: Kirchen, Kapellen, Synagogen in Essen, Essen 1998.
Sigrun Heinen: Altkatholische Friedenskirche: Die Wiederherstellung der Gewölbegestaltung von Jan Thorn-Prikker, in: Denkmalpflege im Rheinland, 2, 2004, S. 93-95.
Ingo Reimer, Elisabeth Weyerer-Reimer: Alt-Katholische Friedenskirche Essen, Regensburg 2010.
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