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Thomas Jessen (geb. 1958): St. Thomas in Körbecke (2007)

Ab Mitte der 1980er Jahre ist die Zahl der Glasfenster für Kirchen und Kapellen rapide zurückgegangen. Kirchen wurden kaum mehr neu gebaut, und bestehende Fenster im Bestand ohne Notwendigkeit auszutauschen war nicht mehr zu finanzieren, außer vielleicht bei großen Innenstadtgemeinden oder Domkirchen. Auch die Bemühungen um Nachhaltigkeit wirkten sich aus. Parallel dazu ging die Zahl neuer Darstellungen des Himmlischen Jerusalem stark zurück, zumal der Jenseitsgedanke in den Kirchen, vor allem der Evangelischen, in den Hintergrund trat und man sich zunehmend als Friedenskirche oder soziale Einrichtung verstand. Eine besondere Ausnahme ist findet man in Körbecke. Besonders insofern, da hier, beabsichtigt oder nicht, das Neue Jerusalem viermal erscheint. Körbecke liegt am Möhnesee. In dem beliebten Ferienort des Ruhrgebiets findet sich das St. Elisabeth Wohn- und Pflegeheim. Das Altenheim ist in katholischer Trägerschaft und besitzt daher eine hauseigene Kapelle, in der die christlichen Feste im Jahreszyklus gefeiert werden und eine spirituelle Begleitung durch Seelsorger der ortsansässigen Kirchengemeinden gewährleistet ist. Der Bau von 1968 besaß schon Fenster von Wilhelm Buschulte, wurde aber Anfang des 21. Jahrhunderts umgestaltet. 2007 ergänzte Thomas Jessen die Kapelle um weitere hochwertige Glasarbeiten. Neben geometrischen Darstellungen findet man links wie rechts des Altars ein Lichtband mit figürlicher Thematik: Links der thronende Christus, recht die zwölf Tore der heiligen Stadt als mittiges Oval.

Die eine Hälfte der Tore ist über das Oval, die andere Hälfte unter das Oval gesetzt. In beiden Fällen sind es einfach, weiße Rundbögen mit einem schwarzen Eingang. Sowohl die Tore als auch die ovale Stadtform erinnern an menschliche Augen, und der Raum überrascht in der Tat noch mit einem optischen Effekt: Die Glastüren gegenüber des Altars wurden ebenfalls von Jessen gestaltet. Sie besitzen geometrische Muster, die mittlere Tür zeigt zusätzlich Teile einer Christusfigur.

Betrachtet man Christus aus einer bestimmten Position der Kirche, so erscheint das Motiv des Himmlischen Jerusalem drei Mal gespiegelt in der Glastür, in einem Falle sogar direkt in seinem Kopf, so dass die am Altarband noch unbesetzte Mitte Jerusalems hier mit Gott belebt ist. Eine dreifache Jerusalemsspiegelung dürfte einzigartig und einmalig sein; ich kenne nur einige (wenige) solcher Spiegelungen (St. Michael in Werdohl, St. Nikolaus in Olsberg), aber nirgends dreifach.
Der Künstler wurde 1958 in Lübbecke/Westfalen geboren. Von 1980 bis 1986 studierte er an der Kunstakademie Düsseldorf, wo er Meisterschüler von Alfonso Hüppi war. 1985 wurde ihm ein Parisstipendium des Landes Nordrhein-Westfalen gewährt, es folgte ein Aufenthalt in der Cite des Arts (Paris). Jessen lebt und arbeitet in Eslohe im Sauerland, wo man zahlreiche weitere seiner Arbeiten findet, überwiegend Wandbilder und Glasarbeiten. Seine wichtigsten Werke sind Fensterarbeiten für die romanische Kirche St. Michael in Kleinenglis (2009), ein Wandbild für St. Pantaleon in Köln (2012) und die Altarneugestaltung für St. Norbert in Werl (2016).

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tags: NRW, Pflegeheim, Altenheim, Spiegelung, Auge
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