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„Worte des Palladium Mnich“ (18. Jh.)

Eine der Apokalypse-Handschriften innerhalb der Sammlung von E. E. Egorova in der Russischen Staatsbibliothek zu Moskau sind die „Worte des Palladium Mnich über das Zweite Kommen Christi“ (Verfasser: Palladios aus Helenopolis (368-430 n. Chr.). Es ist keine vollständige Ausgabe. Von dem Band hat sich nur ein Fragment erhalten, zusammen gebunden mit den Viten des Heiligen Basilius. Es hat in der Bliothek die Signatur F.98 Nr. 375.
In dem Werk spielt das Neue Jerusalem eine Nebenrolle. Gewöhnlich wird es daher mit ein, zwei Illustrationen bedacht. Hier jedoch ist es etwas prominenter bedacht. Erwähnenswert dieser Ausgabe ist weniger der Text, der sich auch anderswo findet, sondern die einzigartigen Illustrationen eines oder mehrerer Buchillustrationen aus Russland. Klarheit in Form und Farbe (rot, gelb, grün) kennzeichnen diese Bilder, die in Fachkreisen dem „volkstümlichen Barock“ zugeschrieben werden und in einem nordrussischen Kloster entstanden sein sollen.

Ein erstes Beispiel dafür findet man auf fol. 85v. In der unteren Zone wird Maria gezeigt, wie sie von Engeln begleitet in die Himmelspforte eintritt. Diese ist als rotfarbener Rundbogen gezeichnet, dessen linker Pfeiler frei in der Luft schwebt. Die Pforte steht offen, die grüne Tür ist in Teilen noch rechts zu sehen – insgesamt eine Darstellungsweise mit hohem Abstraktionsgrad, der sich auch bei den weiteren Miniaturen fortsetzt. Im oberen Bereich sehen wir rote und grüne Arkaden, in denen die Ostkirche typischerweise das Neue Jerusalem präsentiert, hier mit vier Abendmahlsszenen.

Die folgende Jerusalem-Illustration präsentiert dann fol. 111v, den „Klassiker“: Johannes (im orthodoxen Ordensgewand) wird von dem Engel die niederschwebende Stadterscheinung vor Augen geführt. Diese Szene lebt, wie gewöhnlich, vom Kontrast des einfarbigen, öden Felsens zu der vielgliedrigen, bunten Stadt. Das Arkadenmotiv wurde hier einmal bei der Stadtmauer angewandt, die aus offenen Toren in Form von Arkaden gegliedert ist – ein einzigartiger Einfall ohne Vorbild und ohne Nachwirkung. Bei den Häusern und bei dem (grünen) Schattenwurf (etwa der Tore links) zeigen sich Unsicherheiten in der Perspektive, die Grundaussage sollte jedoch klar sein: Diese Stadt ist an Harmonie und Pracht nicht mehr zu übertreffen.

Eine weitere, wenn man so will, „klassische“ Darstellungsweise der heiligen Stadt ist ihr Getragenwerden von Engeln. Meist sind es vier rotfarbene Engel unter der Stadt, hier sind es einmal sechs Engel neben der Stadt. Die Stadt selbst setzt sich aus Mauern und Bauten in schrägen und zackigen Formen zusammen, der Ausdruck ist bewegt, fast blitzartig. Das Haupttor im Vordergrund mit seinen beiden Flügeln, die sich spitz nach hinten ziehen, sind ein exzellentes Beispiel für den Expressionismus des Barocken, von dem wir gerade in Russland noch wenige Beispiele kennen.

Es folgt eine Serie von nicht weniger als fünf Szenen vor Himmelspforten. Es beginnt auf fol. 149v und setzt sich fort auf fol. 150v, fol. 152v, fol. 154v und fol. 158v. Der Aufbau wiederholt sich von Blatt zu Blatt. Die eigentliche Entwicklung vollzieht sich in der Handlung der Personen, wobei die Pforte im Prinzip gleich bleibt. So ist zwischen fol. 150v und fol. 152v so gut wie kein Unterschied festzustellen. Auf der Illustration befindet sie sich stets an der rechten Seite, oben. Vor ihr bzw. bereits in ihr steht Christus und doziert vor Heiligen. Von der Pforte aus schiebt sich eine Mauer nach rechts, wo ein niedriger Bau wartet, vermutlich ein Turm. Die Mauer ist lediglich durch den schrägen Zinnenfries angedeutet. Sie ist weiß wie die Füllung der Pforte belassen, somit könnten beide Bauten offen wie auch geschlossen sein. Vor der Pforte ändert sich bei den fünf Miniaturen nicht viel, die Anordnung der Personen bleibt sich ähnlich, wie auch der braune Erdboden. Dieser ist mit Linien zerteilt, die Flächen entstehen lassen, die an ein Puzzle erinnern.

Die Doppelseite fol. 221v/222r bringt links noch ein letztes Mal eine Himmelspforte. Es ist wieder ein Rundbogen, diesmal höher und mit zwei Engeln besetzt. Von dieser linken Seite aus betreten Personen das Neue Jerusalem, vorne ein Königspaar, dann Engel und Heilige. Auf der rechten Seite entfaltet sich das Neue Jerusalem in seiner ganzen Pracht. Es ist ein Bau mit mehreren Stockwerken, die aus Arkaden bestehen. Im „Erdgeschoss“ reichen zwei Engel Brot und Wein. Über ihnen haben sich Heilige in Gruppen versammelt, um das „Ewige Abendmahl“ zu feiern.

Fol. 227v erscheint etwas unübersichtlich. Es werden verschiedene Ansichten des Neuen Jerusalem, nach dem Comic-Prinzip, auf einem einzigen Bild vereint. Oben reihen sich mehrere Arkaden entlang. Sie bilden aber keinen organischen Bau, sondern stehen isoliert. So ist weiter unten eine weitere Arkade gezeigt, die nicht mit den oberen verbunden ist, sondern frei schwebt. Im Mittelfeld findet sich rechts das Himmlische Jerusalem als annähernd quadratische Stadt, dreidimensional, mit Fenstern, einem Eingang und Kuppel auch als Kirche gedacht. Rechts gegenüber findet sich eine offene, darunter eine geschlossene Himmelspforte.

Hauptthema des Bandes ist also das Neue Jerusalem in Form von Himmelspforten, es geht um den Übergang von der sündigen Welt in die heilbringende Stadt. Somit schließt der Band auf fol. 231v und fol. 234v mit zwei Pforten. Zur Abwechslung sind sie diesmal in einer Mintfarbe gehalten. Fol. 231v ist, vom Thema her gesehen, eine Wiederholung von fol. 221v, also der Einzug der Heiligen in die Stadt. Auf fol. 234v ist der Einzug beendet, die Blickrichtung ist nach draußen gewendet, auch die Strahlen dringen aus der Pforte nach außen.

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tags: Himmelspforte, Ostkirche, Russland, Russische Staatsbibliothek zu Moskau
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