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Historistische Himmelspforten in der Saarregion (1. Viertel des 20. Jh.)

Selbstverständlich gibt es Regionen, in denen manche Bildmotive besonders beliebt waren, andere weniger beliebt. So fällt auf, dass im heutigen Bundesland Saarland historistische Himmelspforten in einer besonderen Dichte vorzufinden sind, vor allem in den römisch-katholischen Kirchen, zu der alle hier vorgestellten Beispiele gehören. Möglicherweise hat es eine solche Dichte auch in beispielsweise Schlesien oder in Südtirol gegeben, doch die dortigen Fenster wurden beseitigt, nachdem diese Gebiete von Deutschland bzw. Österreich abgetrennt wurden? Oder gab es im Trierer Bistum eine besondere Vorliebe für dieses Motiv? Dafür spricht, dass es jenseits der hier vorgestellten Pforten unbekannter Künstler noch eine größere Zahl an Darstellungen namentlich bekannter Künstler gibt. Möglicherweise täuscht der Eindruck aber auch, vielleicht sind Regionen wie Schleswig-Holstein, die Steiermark, das Egerland usw. einfach noch nicht so gründlich dokumentiert, oder es gab anderswo stärkere Tendenzen, dass man historistische Glasmalereien durch moderne Arbeiten ersetzte? Vieles ist denkbar, auch weitere und gegenläufige Strömungen, die man noch im größeren Rahmen untersuchen müsste – hier soll zunächst einmal der reiche Bestand historistischer Pforten dokumentiert werden, was als Ausgangspunkt zu weiteren Überlegungen dienen kann.
Zunächst fällt auf: der Historismus setzte sich in der Saarregion spät durch und hielt sich lange, länger als Beispielsweise der Jugendstil, der bei dem Thema Himmlisches Jerusalem an der Saar nur eine untergeordnete Rolle spielte. Das belegen die folgenden Beispiele. Bei manchen Fenstern konnte die Glasmanufaktur herausgefunden werden, in der es hergestellt wurde. Das sagt aber nichts über den Künstler aus: Die Manufakturen arbeiteten mit zahlreichen, bis zu hundert Künstlern zusammen, und die allermeisten Künstler kooperierten im Laufe ihrer Karriere mit mehr als einer Werkstätte.

Das erste Beispiel entstand um 1895 in der Werkstatt von Heinrich Oidtmann für die im Bau befindliche Kirche St. Joseph in Uchtelfangen bei Illingen (Saarland). Die Werkstatt Oidtmann ähnelte damals schon mehr einer Fabrik: 1890 hatte das Unternehmen über hundert Mitarbeiter. Die Glasprodukte wurden mit industriellen Verfahren seriell produziert, womit Oidtmann sich langfristig gegen kleinere Betriebe, die handwerklich aufgestellt waren, durchsetzen konnte. Ob der Firmengründer dieses Fenster überhaupt jemals zu Gesicht bekommen hat, ist mehr als fraglich. Es ist eine typische Arbeit im Stil des Historismus, die häufig folgenden Aufbau hat: Die unteren Bahnen sind mit Dekor oder Pflanzenornament geschmückt, überwiegend monochrom. Im oberen Medaillon befindet sich eine figürliche Thematik, im hiesigen Falle eine geschlossene Himmelspforte im Mittelalterdesign. Bemerkenswert und einzigartig in diesem Kontext ist das menschliche Auge im Torgiebel, hier als Verweis auf die Trinität.

 

Die Pfarrkirche Mariä Himmelfahrt war 1866 in Quierschied (Saarland) fertiggestellt worden, doch schon eine Generation später war eine Vergrößerung notwendig geworden. Daher erfolgte von 1897 bis 1898 nach Plänen des Architekten Lambert von Fisenne eine Erweiterung um zwei Seitenschiffe, was zur Folge hatte, an den betroffenen Seiten neue Fenster einbauen zu müssen. Damit beauftragte man Gassen und Blaschke, eine kleinere Glasmanufaktur aus Düsseldorf. Entstanden ist eine Arbeit, die in einem Vierpass eine mittelalterliche Himmelspforte nach französischem Vorbild zeigt. Interessant ist ihre Füllung: Man sieht nicht nur einen großen Stern (was ein weiteres Symbol Mariens wäre), sondern mindestens vier weitere kleinere Sterne. Die Pforte steht offen, durch sie blickt man auf das blaue Firmament. Bekrönt oder bewacht wird die Pforte durch einen Engel, dessen Gesicht leider durch eine ungeschickt geführte Bleirute zerstört ist.

Rainer W. Müller: Chronik der Pfarrei Maria Himmelfahrt Quierschied, Quierschied 1980.

 

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Die folgende Himmelspforte wurde in der Manufaktur von Franz Binsfeld in Trier für die 1910 erbaute Kirche St. Marien in Hühnerfeld bei Sulzbach (Saarland) angefertigt. Das ineinander verschlungene runde und zackige Schmuckband zeigt nochmals, was historistische Glaskunst leisten konnte. Demgegenüber tritt die mittelalterliche Pforte zurück, zudem mehrere Objekte an ihrer Seite und hinter ihr etwas ablenken. Im Hintergrund lassen Sterne kaum eine Fläche frei, seitlich schiebt sich ein Schriftband mit „Ja/nua Coeli/ O.P.N.“ direkt durch die Pforte. O.P.N. steht dabei für „Ora Pro Nobis“, also „Bitte für uns“ (ein Zitat aus der Lauretanischen Litanei). Interessant auch hier die Türfüllung, die diesmal mit einer goldenen Sonne besetzt ist, was ein weiteres Mal das Motiv des Sternenhimmels im Hintergrund aufnimmt.

50 Jahre St. Marien in Sulzbach-Hühnerfeld, Erolzheim 1960.
75 Jahre Pfarrkirche ‚St. Marien‘ Hühnerfeld, eine Chronik, Sulzbach-Hühnerfeld 1985.
100 Jahre Pfarrkirche St. Marien, Sulzbach-Hühnerfeld 1910-2010, 90 Jahre Pfarrgemeinde St. Marien, Sulzbach-Hühnerfeld 1924-2014, Sulzbach-Hühnerfeld 2014.

 

Die Missionshauskirche „Maria Königin der Engel“ ist ein herausragender Sakralraum des Saargebietes, denn hier haben in Sankt Wendel die Steyler Missionare ihren Sitz. Zahlreiche zukünftige Priester wurden in der römisch-katholischen Missionsschule ausgebildet und nutzten über Jahre während ihrer Ausbildung den Kirchenraum für Gottesdienste und Feierlichkeiten. Was die jungen Männer hier sahen, prägte ihr Kunstverständnis und sie trugen es in die Welt. Von daher war es eine Pflicht, herausragende Künstler und Werkstätten an der Ausgestaltung zu beteiligen. Für die Fenster trug die Firma Heinrich Oidtmann die Verantwortung. Die Herstellung erfolgte 1912. Erneut wählte die Firma ein florales Hintergrundmuster, welches sich kaum von den immerhin gut 20 Jahre zuvor entstandenen Kirchenfenstern von St. Joseph/Uchtelfangen unterscheidet. Wieder ist die Pforte geschlossen, wieder ist ihre Türfüllung rot. Die Architektur der Pforte bildet mit den Schmuckbändern und den Akanthusblättern jetzt eine Einheit, die Elemente sind eng miteinander verschlungen und lassen sich kaum voneinander trennen, fast verschwindet die Pforte in der Fülle des Dekors.

Verena Friedrich, Gregor Peda, Marcel Peda: Missionshauskirche, St. Wendel, Passau 2011.
Barbara Janßen: Die Missionshäuser der SVD und der hl. Arnold Janssen, Dissertation, Universität Bonn 2017.
Kristine Marschall: Sakralbauwerke des Klassizismus und des Historismus im Saarland, Saarbrücken 2002. 

 

Die Bergkapelle in Illingen (vollständiger Name: Zu den Sieben Schmerzen Mariens) wurde zu Beginn des 20. Jahrhunderts durch Wilhelm Hector im neugotischen Stil als Wallfahrtskapelle errichtet. Mitte der 1920er Jahre kam es zu Umbaumaßnahmen, 1924 wurden neue Fenster eingesetzt. Dies ist insofern bemerkenswert, da Illingen zu dieser Zeit als Teil des Saargebiets dem Mandat des Völkerbunds übertragen war, es mussten Reparationen bezahlt und Kriegsschäden beseitigt werden. Gelder für bauliche Veränderungen bei Kirchengebäuden standen kaum zur Verfügung, zumal dass exterritoriale Bistum Trier die geringen Gelder eher in diejenigen Bauten investierte, die sich auf dem Boden des Deutschen Reichs befanden.

Leider ist weder bekannt, welcher Künstler die neuen Fenster in Kathedralglas entworfen hat, noch welche Manufaktur sie herstellte. Auch als 1988 die Fenster von Josef Müller aus Illingen restauriert wurden und eine Bauforschung vorgenommen wurde, konnte die Urheberschaft dieses und weiterer Fenster nicht geklärt werden, auch Bemühungen der Denkmalpflege blieben ergebnislos (Schreiben an den Verfasser Juni 2007). Sicherlich gab der Name der Kirche den Ausschlag, die Symbole der Lauretanischen Litanei hier zur Darstellung zu bringen. Am linken Seitenschiff zeigt eine Doppelbahn rechts den Morgenstern und links die Himmelspforte. Im Gegensatz zu allen anderen Beispielen wurde jetzt erstmals eine Schrift in deutscher Sprache gewählt, obwohl die Messe noch viele Jahre in Latein gehalten wurde. Bei meinem Besuch wurde die Wahl der Schriftsprache als bewusstes Bekenntnis zur deutschen Kultur des Saargebietes erklärt. Die dargestellte geschlossene Pforte über dem Schriftband ist dann eher traditionell gehalten, als hätte es Jugendstil, Art déco und Expressionismus nicht gegeben. Auch der ornamentierte Rand setzt mit goldenen Kronen und grünen Blättern auf Bewährtes.

Alte Kirchen in neuem Glanz. Bergkapelle Illingen renoviert, in: Paulinus. Wochenzeitung im Bistum Trier, 115, 14, 1989, S. 30.
Edgar Meiser: 100 Jahre Bergkapelle Illingen, in: Merchweiler Heimatblätter, 22, 2002, S. 118-121.
Mario Reuter: Kreis Neunkirchen. Instandsetzungsarbeitenan der katholischen Kreuzkapelle St. Marien, sog. Bergkapelle in Illingen, in: Denkmalpflege im Saarland, 2016, S. 140-142.

 

tags: Porta Coeli, Himmelspforte, Saarland, Historismus, Sonne, Heinrich Oidtmann, Franz Binsfeld
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