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Livio Retti (1692-1751): Jerusalems-Medaillon aus dem Schloss Ludwigsburg (1748)

Das Ludwigsburger Schloss ist eine Residenzanlage aus dem frühen 18. Jahrhundert. Anlässlich der Eheschließung des katholischen Landesherrn Herzogs Karl Eugen (1728-1793) mit der evangelischen Markgräfin Elisabeth Friederike Sophie von Brandenburg-Bayreuth (1732-1780) wurde eine protestantische Kirche innerhalb des Schlosses als notwendig erachtet. Die katholische Ordenskapelle, die der Italiener Donato Giuseppe Frisoni (1681-1735) geschaffen hatte, wurde nach einem Programmentwurf des Oberhofpredigers Ludwig Eberhard Fischer (1695-1773) umgestaltet. Die eigentliche Ausführung lag in den Händen des Oberhofbaumeisters Johann Christoph David von Leger (1701-1791) und des Erbobriststallmeisters Heinrich Reinhard von Roeder. Die Ausmalung übernahm Livio Retti (1692-1751), der 1732 Hofmaler geworden war, zuvor aber von 1725 bis 1731 in Italien gelebt hat und in der venezianischen Malerei geschult war. Retti musste sich bei dem Bildprogramm an enge thematische Vorgaben halten. 41.760 Gulden kostete dem Volk diese konfessionsbedingte Umgestaltung im Rokokostil.
Ringsum an den Wänden finden sich unter der Wölbung der Seitenkuppeln an den Wandpfeilern unterhalb des Architravs zehn (ehemals zwölf) kleinere Gemälde von Retti, die ganz von goldfarbenem Rocaillengewebe umschlossen sind, das von Giovanni Pietro Brilli stammt. Sie stellen anhand biblischer Geschichten den Weg des christlichen Pilgers dar.

Von unten sind diese Medaillonmalereien kaum zu erkennen, dasjenige, um das es hier geht, so gut wie gar nicht. Grund ist eine wuchtige klassizistische Orgel, die dieses eine Medaillon vollständig verdeckt. Selbst wenn man sich auf der Galerie befindet, ahnt man noch nichts von dieser Malerei. Erst ein Blick hinter die Orgel lässt erahnen, dass hier noch etwas zu finden ist. Einzelheiten lassen sich nur mit spezieller Beleuchtung und Kamera bzw. nachträglicher Bildbearbeitung einfangen. Aus diesem Grund wird auf eine ältere Abbildung zurückgegriffen, die entstanden sein muss, als die Orgel noch nicht vorhanden war oder zu Reparaturzwecken kurzfristig abgebaut wurde.


Das querovale Gemälde zeigt nicht etwa Johannes und einen Engel, sondern weißgekleidete Märtyrer mit Palmzweigen in den Händen, die das Neue Jerusalem betrachten. Die Stadt erscheint an einer Küste des Vorderen Orients; anstatt Bauten erkennt man Hütten, dazwischen Palmen und im Hintergrund öffnet sich neben einem Berg das offene Meer. Diese Präsentation ohne direkte Vorlage und (mangels Sichtbarkeit) ohne Nachwirkung steht thematisch im Zusammenhang mit dem Deckenfresko der Hauptkuppel, die das Jüngste Gericht darstellt (1747/48).

Wolfgang Weber: Der Deckenschmuck der Ludwigsburger Ordenskapelle, in: Hie gut Württemberg. Beilage zur Ludwigsburger Kreiszeitung, 9, 3/4, 1958, S. 19-20, S. 25-26.
Ludwig Döry: Donato Giuseppe Frisoni und Leopoldo Mattia Retti, in: Arte Lombarda, 38, 2, 1967, S. 127-138.
Rolf Bidlingmaier: Die Ordenskapelle im Ludwigsburger Schloß, in: Ludwigsburger Geschichtsblätter, 40, 1987, S. 143-169.
Staatliche Schlösser und Gärten Baden-Württemberg in Zusammenarbeit mit dem Staatsanzeiger-Verlag Stuttgart (Hrsg.): Schloss Ludwigsburg. Geschichte einer barocken Residenz, Tübingen 2004. 

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tags: Baden-Württemberg, Rokoko, Residenz, Schloss, Orgel
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