Diese Darstellung der Pforte zeigt bereits wesentliche Merkmale des Himmlischen Jerusalem. Die Pforte steht auf der unteren Seite auf einem schmalen Bogen, der den Zionsberg darstellt. An den übrigen drei Seiten sieht man zwölf farbige Bögen, die alle als Binnenzeichnung eine ganz schmale, kaum sichtbare Linie aufweisen. Es sind die Edelsteine der Stadt, überraschend ähnlich präsentiert wie auf dem mittelalterlichen Codex Guelf I.9 aus der Herzog August Bibliothek in Wolfenbüttel. Einer der Edelsteine (rechte Seite, vierter Stein von unten, kräftige goldgelbe Farbe) ist bedauerlicherweise beschädigt – der allgegenwärtige Vandalismus der Wohlstandsverwahrlosung hat auch hier in Brüggen zugeschlagen. Von den Steinen abgesetzt sieht man weiße Kreise, die an zwei Reihen wie an einem Band befestigt zu sein scheinen. Es sollen die Perlen der Stadt sein. Schließlich ist die Himmelsleiter unten und das Trinitätssymbol mit dem Auge Gottes oben eng mit dem Thema des Neuen Jerusalem verbunden. Nicht unwichtig ist noch das kaum sichtbare Christusmonogramm Chi-Rho, welches hier das sonst übliche Lamm oder Kreuz ersetzt.
Die Darstellung gehört zu einem intimen Ensemble von insgesamt drei ähnlichen Fenstern, wovon das linke einen Brunnen und das rechte ein Schiff zeigt. Es sind Symbole aus der Lauretanischen Litanei, die hier aufgegriffen wurde. Man findet die drei Fenster in der Taufkapelle der römisch-katholischen Kirche von Brüggen bei Kerpen. Sie trägt, wie viele Kirchen des Rheinlands, den Namen St. Joseph. Erbaut wurde sie im neogotischen Stil in den Jahren 1910/1911 nach Plänen des Architekten Theodor Ross. Nach relativ geringen Kriegsschäden kam es erst in den 1960er Jahren zu massiven Veränderungen und Umbauten in die historische Bausubstanz, die man heute kritisch betrachtet, da sie völlig überdimensioniert waren. Im Rahmen der Maßnahmen kam es auch zur Einrichtung der Taufkapelle, über die wir gut informiert sind: Der Raum wird auch als Marienkapelle bezeichnet, was sicher den Anlass für die Wahl der Motive abgab. Die drei Fenster sind ein Werk des rheinischen Glasmalers Helmut Lang (1924-2014), der damals in Köln-Holweide sein Atelier führte. Für die Konzeption erhielt er 600 DM. Hergestellt wurden die Fenster von der Glasmanufaktur Franz Melchior in Köln, was nochmals 1008 DM kostete. Die modernen Fenster waren damals umstritten, so wurde das Fehlen einer Inschrift bemängelt.
Helmut Lang war von seiner Darstellung überzeugt. Seine himmlische Pforte in Brüggen darf als Vorlage für ein weiteres Fenster gelten, welches Lang 1977 für St. Theresia in Essen-Stadtwald gestaltet hat (Fenster „Der schmale Weg zum Heil“).
Leonhard Meurer (Hrsg.): 1911-1986. 75 Jahre ‚Sankt Josef‘ Kerpen-Brüggen, (Kerpen) 1986.
100 Jahre Sankt Joseph, hrsg. vom Ortsausschuss St. Joseph, Groß Oesingen 2011.
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