Die Szene ist ein Ausschnitt aus dem Vierungsgewölbefresko der römisch-katholischen Stiftskirche Sankt Johannes Evangelist in Selm-Cappenberg im Münsterland. Es entstand wohl um die Mitte des 15. Jahrhunderts, als die im Ursprung romanische Kirche dem Prämonstratenserorden unterstand. Ähnliche Malereien wie hier finden sich später südlich vor Bremen, etwa in Sudwalde oder Scholen, und dürften von Selm aus mit beeinflusst worden sein.
Bei diesem Jerusalem drängen sich die Heilsuchenden von der rechten Seite in die Stadt. Die hohe Bogentür mit naturalistischer Holzmaserung steht weit offen, an der Türschwelle lugt ein Engel vorsichtig nach außen. Er hat nicht etwa einen Palmwedel in der Hand, sondern man sieht einen seiner Flügel. Die Heilsuchenden, die zum Teil prachtvolle Kleider tragen, sind eigentlich schon im geschützten Raum, denn sie sind bereits von den Zinnen der Stadtmauer umzogen. Diese Mauer ist außergewöhnlich niedrig dargestellt. Steil nach oben zieht sich jedoch der Kirchenbau mit zwei spätgotischen Chorfenstern. Über dieser Kirche erscheint eine weitere, kleine Kirche mit drei Chorfenstern. Der Sinn dieser Dopplung ist nicht eindeutig klar und lässt sich auch bei anderen zeitgenössischen Malereien im Münsterland so nicht finden, durchaus aber anderswo, etwa in der Peterskirche in Weilheim.
Von der Stadt etwas abgesetzt erwachen unten die Toten in Gräbern, über der Stadt schwenken Engel Weihrauch. Dieses Bildmotiv kommt von Miniaturen, auf Wandfresken ist es sehr selten einmal dargestellt (vgl. die Apokalypse von Jean Colombe). Diese Szenen wirken isoliert und schematisch. Ursprünglich befanden sich dazwischen florale und geometrische Muster, die die Bildelemente verbunden haben, aber verloren gingen.
Das Weltgerichtsfresko wurde nach der Freilegung 1936 erstmals restauriert. Bei der 1971 abgeschlossenen Wiederherstellung der Kirche wurden weitere dekorative Malereien gefunden, die teilweise freigelegt und rekonstruiert wurden. Die Abbildung macht den Eindruck eines SW-Bildes, ist aber in Wirklichkeit eine Farbaufnahme. Das Original weist hauptsächlich verschiedene Grautöne auf und ähnelt einer Grisaille.
Stiftskirche Cappenberg, Lünen, um 1970.
Horst Appuhn: Jan Baegert, der Meister von Cappenberg, Dortmund 1972.
Thomas Etzkorn: Die Cappenberger Stiftskirche im Wandel der Zeit. Betrachtungen eines Heimatfreundes, in: Heimatbuch Kreis Unna, 8, 1987, S. 39-41.
Horst Appuhn: Stiftskirche Cappenberg, München 1989 (4) (Große Baudenkmäler, 297).
Klaus Saeger, Andreas Lechtape: Stiftskirche Cappenberg, Regensburg 2018.
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