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Freskenzyklus der Dorfkirche zu Schwarzrheindorf (1151-1165)

In der Dorfkirche St. Maria und Clemens zu Schwarzrheindorf bei Bonn (Rheinland) wird die Tempelvision des Propheten Ezechiel auf mehreren Bildern ausführlich wiedergegeben. Dieser Tempel aus dem Alten Testament ist ein wichtiger Vorläufer für die himmlische Gottesstadt im Neuen Testament. Insofern ist es nur konsequent, auch in diesem alttestamentlichen Zyklus in einigen der Bilder Vorstellungen des Himmlischen Jerusalem mit einfließen zu lassen.
Die originalen Malereien der Unterkirche entstanden zwischen 1151 und 1165. Warum bei der Ausmalung der Kirche so explizit auf die Vision des Ezechiel Bezug genommen wurde, die ja, wenn wir dem Bestand trauen dürfen, auf Wandmalereien des 12. Jahrhunderts kaum einmal vorkam, ist ein Rätsel. Ebenfalls ist ungeklärt, was auf den Temperamalereien ursprünglich überhaupt zu sehen war. Seit spätestens 1625 müssen sie übertüncht gewesen sein, bis sie 1848 bei einer Inspektion anlässlich der Wiedereinweihung von Andreas Simon neu entdeckt wurden. Anschließend begann der Maler Christian Hohe (1798-1868) mit der Aufdeckung und Ergänzung, was schwierig war, da sich die Farben mit der Übertünchung verbunden hatten. Insofern sah er sich gezwungen, die Malereien in großen Teilen frei nach seinen Vorstellungen zu komplettieren. Weitere Veränderungen wurden dann 1910/11 und erneut 1935 durch den Maler Anton Bardenhewer (1857-1939) vorgenommen.
Die Deutung der Malereien als Zyklus nach dem Ezechielbuch geht auf einen Zeitungsartikel des Pfarrers Pfeifer aus dem Jahre 1863 zurück und wurde u.a. von dem Theologen Christoph Dohmen popularisiert.
Bei den Malereien präsentieren stets zwei Heilige mit Schriftbändern in ihrer Mitte eine Stadtdarstellung. Der Hintergrund ist stets blau, die Architektur hat eine weißliche Färbung, die Marmor imitiert.

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Bei der ersten, die den Zyklus vor bzw. über dem Altar eröffnet und als erstes zu sehen ist, wenn man vor den Altar tritt, können die Heiligen nicht mehr identifiziert werden, da sich der Text in den Bändern nicht erhalten hat. Sie verweisen jedenfalls auf eine Architektur, die aus Kuppelbauten und Seitenkapellen besteht. Im großen Hauptportal hebt eine Christusfigur seine rechte Hand.

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Das daran angrenzende zweite Themenfeld der Vierungsmalerei präfiguriert die Gottesstadt als Altar in annähernd kubischer Form. Priester vollziehen hier ein Opfer, wie im Himmlischen Jerusalem Christus sich im Ewigen Abendmahl für die Menschheit immer wieder opfert. Die zwölf Streifen auf der Schauseite des Blocks erinnern bereits an die Bänder des Edelsteinfundaments.

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Die westliche Kappe der zentralen Vierung zeigt dann eine polygonale Stadt mit offenen Toren und Türmen im typischen blockartigen Stil der rheinischen Romanik. Vor der Stadt berechnet links ein Engel die Maße, während rechts Johannes die Stadt betrachtet.

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Die Malerei der südlichen Kappe zeigt abschließend ineinander verschachtelte Bauten, die von Mauern und Türmen umgeben sind. Zur rechten Seite kragt ein Kirchenbau nach außen, vor dem ein Heiliger mit dem Spruchband „I(.) DOMINO PONE COR T(VVM IN) OMNIA CORDES“ wacht. Dargestellt ist die Stadtvision nach Hesekiel Kap. 40, Vers 3.

Wilhelm Neuß: Das Buch Ezechiel in Theologie und Kunst bis zum Ende des 12. Jahrhunderts. Mit besonderer Berücksichtigung der Gemälde in der Kirche zu Schwarzrheindorf. Ein Beitrag zur Entwicklungsgeschichte der Typologie der christlichen Kunst, Münster 1912.
Günther Binding, Albert Verbeek: Die Doppelkapelle in Bonn-Schwarzrheindorf, Köln 1991.
Christoph Dohmen: Das Neue Jerusalem. Der Ezechiel-Zyklus von Schwarzrheindorf, Bonn 1994.
Wilfried Hansmann, Jürgen Hohmann: Die Gewölbe- und Wandmalereien in der Kirche zu Schwarzrheindorf, Worms 2002.

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tags: Rheinland, NRW, Hesekiel, Vision, Kubus, Vermessung, Fresko, Romanik
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