Zehn Pastellgemälde machen einen Apokalypsezyklus aus, den der Maler Michael Goller aus Chemnitz geschaffen hat. Das letzte dieser Gemälde zur Offenbarung des Johannes mit dem Titel „Das himmlische Jerusalem“ wurde nach einem zweijährigen Prozess im Jahr 2011 fertig gestellt. Es hat eine Größe von 130 x 190 Zentimeter. Grundlage war der Text der Offenbarung nach der Einheitsübersetzung, und zwar ausdrücklich konkret: Mit dem handschriftlichen Schreiben des Textes auf der leeren Leinwand begann der Künstler, das Werk gewissermaßen aus dem Text heraus entstehen zu lassen. Die Textpassagen wurden in den folgenden Phasen des Prozesses auch wieder wegwischte, nur manchmal sind noch Fragmente zu erkennen (vor allem noch beim ersten Werk dieser Serie).
Wie auch bei weiteren Arbeiten des Künstlers überwiegt das Nichtfigürliche. Gleichsam ist es jedem Betrachter überlassen, ihm vertraute Elemente neu zu erkennen: Wie hinter Nebel scheint man im oberen Teil des Bildes ein Art Zaun oder einen Balken in einem weichen Weiß erkennen zu können, vielleicht verziert mit runden Perlen oder Edelsteinen in dunkleren Tönen. Abgestorbene Bäume an den beiden Seiten verleihen der Szenerie etwas Apokalyptisches, was in einem leichten Kontrast zu den hellen, warmen Pastellfarben, vor allem im unteren Bereich, steht. Diese Äste sind kaum sichtbar im Hintergrund eingebaut und erinnern an Glasfenster von Kirchen, bei denen noch etwas von der Außenwelt hindurchscheint. Über den Gesamteindruck der Werke Gollers wurde treffend geurteilt, was auch auf diese Arbeit zutrifft: „Das Fragmentarische und Dissoziative scheinen perfekt geeignet, das Urbild unserer Wirklichkeit abzubilden: Im Rauschen der medialen Eindrücke ist einzig das Flüchtige von Bestand. Die Bilder von Goller sind in der Lage, beide zu vereinen: Die Flüchtigkeit, denn wir können in ihnen hin und her zappen, und jeder Quadratzentimeter der Leinwand eröffnet uns eine neue Geschichte und einen neuen Horizont; Die Beständigkeit, denn wir wissen und erkennen im Bild, dass hinter jedem Fragment eine nicht beliebige Vorgeschichte steht, ein schwieriger Kampf im künstlerischen Prozess, der dauerhaft in den Tiefen der Leinwand weiter tobt“ (Torsten Obrist).
Die letzte Arbeit der Serie wurde der Titel „Das himmlische Jerusalem“ gegeben. So hat es der Künstler auf der Rückseite vermerkt, wo man auch eine Datumsangabe und eine Signatur in Silberstift finden kann. Eine zweite, kleinere Signatur findet man übrigens auf der Vorderseite links oben. Diese hat der Künstler in Spiegelschrift gesetzt, eine Besonderheit, die ich von keinem weiteren Künstler her kenne. Goller erklärte dazu: „Nun ist es ja so mit dem linkshändigen Schreiben (ich bin von Haus aus Rechtshänder), dass, wenn man leserlich, also nach rechts fließend, schreibt, die linkshändige Schrift mehr geschoben ist als schwungvoll gezogen. Und damit ein ganz anderer Gestus, als ob eine andere Person geschrieben hätte. Wenn man aber mit links spiegelschriftlich schreibt, handelt es sich, wenngleich gespiegelt, doch um den gleichen Gestus und mit etwas Vertrauen, also nicht visuell rückzufragen, ergibt sich dann fast das gespiegelte Bild der Rechtsschrift.“ Man findet die Spiegelschrift bei Teilen des oben erwähnten Textes auf dem Bild, und auch bei anderen Arbeiten Gollers wird sie verwendet, also eine subtil gegenläufige Bewegung, die aber stets im Sinne der Botschaft zusammenwirkt.
Michael Goller wurde 1974 in Chemnitz geboren. Seit 1997 sind Arbeiten Gollers auf Ausstellungen präsent, u.a. im Neuen Sächsischen Kunstverein Dresden, der Galerie Obrist in Essen oder in der Galerie im Kunsthaus Mitte in Berlin. Die hier vorgestellte Arbeit befindet sich im Original in Dauerleihgabe im Besitz der Kunstsammlungen des Bistums Regensburg. Dort dürfen Sie auf Anfrage, wie auch die anderen Werkteile dieses Zyklus, eingesehen werden und stehen der Forschung zur Verfügung.
PPZK Leipzig (Hrsg.): Zimmer mit Blumen. Neue Bilder und ein Text: Michael Goller, Leipzig 2011.
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