Ende der 1950er Jahre beschloss die evangelischen Nikolaikirche von Heilbronn, die einfache Notverglasung der 1940er Jahre durch höherwertige Buntglasfenster zu ersetzen. Wolf-Dieter Kohler (1928-1985) entwarf für das noch erhaltene spätgotisches Maßwerk im Chorbereich drei schmale, etwa sechs Meter hohe Doppelfenster. Hergestellt wurden sie Anfang 1959 in der Manufaktur Emil Gaisser in Stuttgart.
Das linke Fenster zeigt oben Szenen aus dem Leben des Heiligen Stephanus, darunter auch sein Martyrium. Die vier untersten Bildfelder zeigen den Ort der Märtyrer, also das Neue Jerusalem. Ungewöhnlich ist bereits die Position der Stadt: nicht hoch oben, etwa im Maßwerk, sondern einmal unten, fast auf Augenhöhe mit den Betrachtern. Ebenfalls ungewöhnlich, vielleicht sogar einzigartig sind nicht die zwölf blockartigen Tore mit blauer Füllung, sondern die zwei Personen darunter. Um wen könnte es sich handeln? Die beiden Figuren sind identisch in ein antikes Gewand gekleidet. Mit erhobenen Händen tragen sie eine goldene Platte, auf der sich das Himmlische Jerusalem erhebt. Zu ihren Seiten fließt etwas, von dem man denken könnte, es würde sich um ein Stola oder um eine Stoffbahn handeln. Die Bahnen haben ihren Ursprung jedoch eindeutig in der Stadt, vermutlich handelt es sich um das Wasser des Lebens, welches hier nach unten strömt.
Damit war das Thema Himmlisches Jerusalem in der Heilbronner Nikolaikirche noch nicht abgeschlossen. Dem Chor gegenüber liegt die Orgelseite, auf der sich unten der Eingang in die Kirche befindet. Auch hier war Wolf-Dieter Kohler für die Fenstergestaltung verantwortlich. Gemeindemitglieder, die den Luftangriff auf Heilbronn vom 4. Dezember 1944 überlebt hatten, welcher auch diese Kirche stark zerstörte, wünschten sich ein Fenster nach dem Buch Daniel, Kapitel 3. In diesem wird von drei Männern in einem Feuerofen erzählt, die von einem Engel vor dem Verbrennen bewahrt werden. Kohler hat zum Zeichen der Hoffnung in das obere Maßwerk die himmlische Sphäre dargestellt, u.a. mit den Symbolen der Evangelisten, den vier Winden und musizierenden Engeln, die Spruchbänder halten. Ganz oben finden sich in einem Dreipass alle zwölf Tore des Neuen Jerusalem, auf kleinsten Raum gedrängt: Drei in der Mitte, die anderen verteilt auf die drei Pässe. Der Fernsicht wegen wurde auf eine detaillierte Ausgestaltung, wie etwa noch im Chor, verzichtet. Es handelt sich vielmehr um schematische, identische Blöcke aus goldgelber Rahmung und roter Füllung.
Wilhelm Steinhilber: Evangelische Gesamtkirchengemeinde Heilbronn. Teil 2: Die Nikolaikirche zu Heilbronn, Heilbronn 1965.
Günter Spengler (Bearb.): 650 Jahre Nikolaikirche – 50 Jahre Wiedereinweihung, Heilbronn 2001.
Julius Fekete: Kunst- und Kulturdenkmale in Stadt und Landkreis Heilbronn. Stuttgart 2002.
Christa Birkenmaier (Hrsg.): Wolf-Dieter Kohler, 1928-1985. Leben und Werk, Petersberg 2021.
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