In den letzten Jahrzehnten sind immer wieder Paramente mit dem Himmlischen Jerusalem vorgelegt worden, etwa von Sabine Bretschneider (2005), Nikolaus Bette (2006) oder Meike Löffel (2013). Die Popularität lässt sich in allen Konfessionen feststellen, die genaueren Gründe sind schwieriger zu bestimmen und könnten letztlich nur von den Auftraggebern dieser Werke beantwortet werden. Gelegentlich sind es auch die Paramentwerkstätten, die dieses Motiv aufgreifen und die fertige Arbeit dann anbieten. Dies ist der Fall bei einer Arbeit in Besitz der Paramentenwerkstatt der von Veltheim-Stiftung und Restaurierungswerkstatt bei dem Kloster St. Marienberg in Helmstedt. Der traditionsreiche Betrieb geht zurück auf die Gründung des Niedersächsischen Paramentenvereins 1863. Im Laufe der Jahrzehnte sind hier sicherlich auch Paramente mit dem Motiv des Himmlischen Jerusalem entstanden, die aber leider bislang nicht wissenschaftlich dokumentiert sind. Eine große Zahl der Kunstwerke haben zwei Weltkriege ebenso vernichtet wie die Tendenz in einer Wohlstandgesellschaft, ältere oder beschädigte Textilien einfach wegzuwerfen anstatt sie umweltschonend restaurieren zu lassen. Erst ganz langsam stelle ich auf dem Gebiet der Kunsterhaltung ein verändertes Denken in den Kirchen fest.
Ein neueres Parament wurde im Jahr 1987 von der Mitarbeiterin der Werkstatt, Ingegerd Holland (gest. 1997) angefertigt. Es war damals in kirchlichen Kreisen durchaus üblich, die Namen der Stickerinnen nicht anzuführen, und so sind mir auch keine weiteren Werke dieser sicher gut ausgebildeten und talentierten Künstlerin bekannt geworden. Das Parament wurde von Holland in Legetechnik gefertigt. Die zarte, unaufdringliche Arbeit zeigt in schwungvollen Formen im unteren Bereich (Ausschnitt) drei Tore der Stadt. Es sind drei Quadrate, die mit einer rundem Form gefüllt sind, was an die Perlen der Stadt erinnern lässt. Die Stickerei auf diesen drei Medaillons sieht allerdings nicht wie Perlen aus, sondern eher wie Ähren. Darüber erheben sich in schwungvollen Formen Wellen, die mit einer konzentrischen Kreisform bekrönt sind: je nach Sichtweise oder Interpretation mag man hier Engel, Heilige sehen, auch eine ungewöhnliche Architektur, die ja nicht an irdische Formen angepasst sein muss, kommt in Frage. Viel zu oft wird vergessen: das Neue Jerusalem ist eine außerirdische Angelegenheit.
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Beitragsbild: B. Heldt-Czichowski