Martin Thiebes (1962-2021): Jerusalemstelen (2000-2008 und 2010)

Um das Jahr 2000 hat Martin Thiebes aus Königswinter-Oberdollendorf (bei Bonn) begonnen, sich mit dem Thema Neues Jerusalem auf Stelen auseinanderzusetzen. Es entstanden mehrere Entwürfe, die sich nicht erhalten haben. Es kam dann zu einer langfristigen Zusammenarbeit mit einer Privatperson, die an diesem Motiv Interesse zeigte.

Erst im Jahre 2008 wurde, nach verschiedenen Vorentwürfen und Änderungen, eine Jerusalemstele in blaugrauem Marmor fertig. Der Kunde, der häufig nach Jerusalem reiste, hatte das Kunstwerk nicht als Grabstein bestellt, sondern es zur Erinnerung in seinen Garten gestellt. Auch deswegen befindet sich an der Unterseite die berühmte Darstellung eines Mosaiks aus Tabka am See Genezareth: Fische und Brot, als Symbol der biblischen Geschichte der Brotvermehrung. Im oberen Bereich wandelt sich der Stein dann zu Treppen, Häusern und einem vergoldeten Tempel am Ende der Stele: das historische Jerusalem mit dem jüdischen Tempel Salomon wird zur Referenz für das zu erwartende christliche Jerusalem.

 

Diese Arbeit regte den Künstler, der sich intensiv mit einer Darstellungsform des Themas auseinander setzte, zu einer zweiten, mit 165 Zentimeter noch längeren Jerusalemstele an. Diese stand zeitweise im Brückenmuseum von Königswinter, wo immer wieder Steinmetzarbeiten heimischer Künstler ausgestellt werden. Wie ein Wolkenkratzer erhebt sich dieses Himmlische Jerusalem, wo erste Stufen, dann Treppen schon weitaus tiefer zu finden sind, erst leicht eingeritzt, dann zunehmend dreidimensional ausgearbeitet. Genau umgekehrt wie bei Hochhäusern kann man hier nicht die unteren Stockwerke erkennen, sondern nur die oberen. Immer deutlicher nach oben kommen Treppen, Fensterbögen und goldene Dachzonen zum Vorschein. Auf dem Dach erscheint wieder ein Tempel mit einer goldenen Zinnenbekrönung und goldenen Bogenöffnungen an den vier Seiten, angelehnt an einen antiken Tempel. Ebenfalls im Gegensatz zu Hochhäusern verjüngt sich dieser Block nach oben nicht, sondern ist an seinem Fundament ebenso breit wie lang als an seiner Krone.
In seiner freischaffenden Tätigkeit arbeitete Thiebes vorwiegend mit heimischen Materialien wie Mayener Basaltlava, Linzer Blaubasalt, Aachener Blaustein, Eifelsandstein, Lindlarer Grauwacke, Hessischer Diabas und Trachyt aus dem Westerwald. Die Stele mit dem Himmlischen Jerusalem ist aus rotem Eifelsandstein. Sie entstand zwischen November 2009 und Februar 2010. Der Künstler fühlte sich diesen Arbeiten besonders verbunden und hat bereitwillig Auskunft dazu geben. Sein früher, unerwarteter Tod verhinderte leider ein persönliches Treffen, welches 2023 geplant war. Die eigene Todesanzeige (im Besitz des Verfassers) zierte übrigens eine Entwurfszeichnung des Künstlers zu seinen Jerusalemstelen.

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tags: Erinnerungskultur, Stele, Privatsammlung, Tabka, Treppe, Tempel, Sandstein, NRW, Königswinter, Heimatverein Oberdollendorf e.V.
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