Gudrun Müsse-Florin (geb. 1935): Kirche St. Johannes der Evangelist in Wuppertal-Elberfeld (1985)
Die 500 x 260 Zentimeter große Handweberei ist laut Gudrun Müsse-Florin (geb. 1935) von 2. Korintherbrief Kap. 5, Vers 17 und allgemein von der Johannesoffenbarung inspiriert. Der Wandteppich hat den Titel „Alte und Neue Welt“. Er entstand im Jahr 1985, als die Künstlerin selbstständig in ihrem Atelierhauses in Göggingen (Ostalb) tätig war. Es ist heute im sogenannten Roncalli-Zentrum, der römisch-katholischen Kirche St. Johannes der Evangelist in Elberfeld, beheimatet. Dort wurde er direkt hinter dem Altar aufgehängt und ist seitdem der künstlerische Höhepunkt der modernen Kirche.
Nicht im geometrischen, sondern im optischen Mittelpunkt der Komposition befindet sich ein dunkler Kreis, durchzogen von einem Golgatha-Kreuz, einer Art Metapher für die „alte Welt“. Eine aufgesprengte Dornenkrone in diesem Kreis ist ein Hinweis auf den Durchbruch in eine neue, bessere Schöpfung. Irdisches und Himmlisches sollen hier ineinander verwoben sein – ein Versuch, den Beziehungsreichtum zwischen dem Unermesslichen und dem zeiträumlich Erfahrbaren zeichenhaft darzustellen. Das Himmlische sind dann zahlreiche gelbgoldene Bauten in einem hellen Lichtkreis direkt über dem unteren, dunklen Kreis. Dieser ist zusätzlich durchwoben mit zahlreichen Wellen und Bögen, die an verschiedenen Stellen wie helle, große Tore erscheinen. Am oberen und unteren Rand franst die Handweberei aus und bildet einen Bogen, der mit den dargestellten zwei Kreisen gut harmoniert. Auch hängt damit das Kunstwerk an wenigen Fäden, wie schon seit der Renaissance das Himmlische Jerusalem dargestellt wurde, wie es an einem Faden oder Seil von der Hand Gottes gehalten wird (vgl. dazu ein Epigramm von 1580).
Heinz Willi Peuser: Gudrun Müsse-Florin – Textilkünstlerin, Malerin, Bildhauerin, in: Das Münster. Zeitschrift für christliche Kunst und Kunstwissenschaft, 42, 2, 1989, S. 102-108.
Gudrun Müsse Florin – Facetten des Lebens, Schwäbisch Gmünd 2006.
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